Direkt zum Inhalt

PERSPEKTIVEN ...

... UND MATERIALIEN ZUM DOWNLOAD

Digitales Versorgungsgesetz: Der Weg für Apps bleibt steinig

Digitales Versorgungsgesetz: Der Weg für Apps bleibt steinig

Das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) wurde in Windeseile verabschiedet – vom ersten Referentenentwurf bis zur Verabschiedung im Kabinett sind lediglich acht Wochen vergangen (1). Es ist ein ersten Aufschlag, von dem alle Beteiligten wissen, dass er im Detail viele Fragen offen lässt. Spahns “Agiles Regieren” passt in die Zeit, flexibel und schnell werden vermutlich auch die Stellschrauben nachjustiert werden müssen, wenn sich in der Umsetzung die Fallstricke zeigen. Die Regelungen zum Schutz der Nutzerdaten wurden bereits ausgeklammert und in ein zweites Gesetz gepackt (2), damit das Digitale Versorgungsgesetz in seinen Grundzügen noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann. Durch alle Gazetten geistern seitdem die Schlagzeilen von “Gesundheits-Apps auf Rezept”. Verständlich, dass viele App-Anbieter das große Geschäft wittern und die Tür zu Regelversorgung weit offen sehen. Doch vermutlich werden die Maßnahmen des DVGs für die meisten App-Anbieter und die meisten App-Nutzer wenig verändern, betreffen sie doch nur einen winzigen Bruchteil des Marktes der digitalen Gesundheitsanwendungen (3).

Neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Digitale Gesundheitsanwendungen

  • Digitale Gesundheitsanwendungen, sofern sie als Medizinprodukte zertifiziert sind, werden erstattungsfähig.
  • Das BfArM soll diese Produkte in einem Verzeichnis aufnehmen und auf Sicherheit und Qualität testen (4). Wie das genau vonstatten gehen soll, bleibt vage.
  • Der Nutzen der digitalen Anwendungen soll nach einem Jahr vom Anbieter belegt werden. Bis dahin erstatten die Krankenkassen den Herstellerpreis. Der geforderte Evidenzgrad des Nutzennachweises soll nach den Vorstellungen des Gesundheitsministers bewusst niedrig gehalten werden. Vermutlich sind es nicht die randomisierten, kontrollierten Studien (RCT), die der Gesetzgeber fordern wird.

Digitalisierungsgesetz: Nur winziger Bruchteil des Marktes im Fokus

Noch sind es wenige Apps, die als CE-zertifizierte Medizinprodukte in den App-Stores für Patienten verfügbar sind (3). Vermutlich werden sich jetzt viele Anbieter Gedanken machen, wie sich das ändern lässt, d. h. wie sie zu einer Medizinproduktezertifizierung und damit an die Geldtöpfe der Gesetzlichen Krankenkassen kommen. Doch Vorsicht: Im Vergleich zu Ernährungs-, Bewegungs-, Entspannungs-Apps werden Medizinprodukte kaum nachgefragt. Und auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes und der Erstattungsfähigkeit von Medizin-Apps ab 2020 dürfte sich daran vermutlich erstmal nicht viel ändern. Warum?

Digitale Therapiebegleiter – Neuland für Ärzte & Patienten

Wer hofft, dass Ärzte nach Inkrafttreten des DVG alle fröhlich digitale Anwendungen verschreiben, wird sich vermutlich irren. Denn für die meisten Gesundheitsberufe sind Apps als Arbeitsmittel zur Therapiebegleitung ihrer Patienten absolutes Neuland. Wie diese neuen Werkzeuge in die Versorgung integriert werden, ist völlig offen. Wer Apps empfehlen will, muss wissen, welche Apps es gibt – und ein Blick in das noch nicht näher beschriebene Verzeichnis des BfArMs wird diese Frage vermutlich nicht erschöpfend beantworten. Nur wer die Unterstützungsfunktionen, die Inhalte, die Schnittstellen zu Messgeräten etc. kennt, wird die Möglichkeiten und Grenzen der Anwendungen verstehen und entscheiden können, für welche Patienten welche App in Frage kommen. Wie hoch dabei der Kommunikationsaufwand wird, hängt auch vom Patienten ab, von dessen digitaler Kompetenz, dem Alter und seinen körperlichen sowie kognitiven Möglichkeiten. Damit nicht genug – auch Fragen der Datensicherheit, der Analyse der vom Patienten erhobenen Messwerte oder Tagebucheintragungen oder des Exports von Befunden, Labordaten oder Therapieanleitungen in die Apps werden sich im Praxisalltag ganz neu stellen. Von der Auswahl williger und fähiger Patienten bis zur Besprechung von Daten und der Einbeziehung dieser Informationen in Therapieentscheidungen zeichnet sich ein komplexer, vollkommen neuer Prozess ab, dessen Erfolg vom Zutun vieler Faktoren abhängig ist:

  1. Es muss “gute” Apps für die Therapiebegleitung geben – die mit aussagefähigen Profilen gelistet sind, z. B. in einem Verzeichnis des BfArMs oder in anderen Bewertungsportalen, z. B. HealthOn.
  2. Arzt und Patient müssen diese Apps kennen und in der Lage und Willens sein, sie gemeinsam zu nutzen.

Für die Befähigung der Nutzer wird derzeit wenig getan. Es gibt Hilfe zur Orientierung (5,6), es gibt Initiativen, die die Digitalkompetenz von Senioren stärken (7). Die Ärzteschaft hat in der Kommentierung des Gesetzes bereits darauf hingewiesen, dass sie den erforderlichen Support für Patienten, was die Nutzung von Apps anbelangt, nicht leisten kann (8). Sie erwarten diesen Service von den Anbietern der Apps. Weil diese Unterstützung im konkreten Fall vermutlich auch Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten erfordert, ist fraglich, ob sich die Unterstützung der Patienten bei der Handhabung der Apps vollständig an Dritte delegieren lässt.

DVG ruft nach Stärkung digitaler Kompetenzen von Nutzern

App-Anbieter stehen vor der Frage, wie ihre App zum Medizinprodukt der Risikoklassen I und IIa werden kann, sie brauchen Partner, die Aufwand und Marktpotential abschätzen und eine erfolgreiche Market Access Strategie entwickeln können. Im interdisziplinär agierenden Beraternetzwerk der Healthcare Shapers finden sich diese Experten.

Angehörige der Gesundheitsberufe brauchen Fortbildung, um zu lernen, was digitale Medizinprodukte leisten können, welche Patienten davon profitieren und welche Voraussetzungen diese dazu mitbringen sollten. Apps müssen als digitale Bausteine in die Versorgungspfade integriert werden, d. h. sinnvoll in Praxis- und Klinikabläufe eingebunden werden. Bei Empfehlungen von Apps müssen Therapeuten auf Fragen von Patienten antworten können, der Fortbildungsbedarf ist hoch, es gibt wenige, qualitätsgesicherte Angebote.
Krankenkassen sind in der Pflicht, Transparenz zu schaffen und ihren Versicherten aufzuzeigen, mit welchen digitalen Helfer sie sich in der Therapie und in der Prävention unterstützen können. Eine Plattform wie HealthOn bietet die erforderliche Orientierung und informiert u. a. auch über Qualitätssiegel (DiaDigital, Pneumodigital, HealthOn Ehrenkodex) und Datenschutzsiegel (9) von regulierten und nichtregulierten Gesundheits-Apps. Gesundheitspoltisch Verantwortlichen ist bewusst, dass die Stärkung der Digitale Gesundheitskomptenz ganz wesentlich über den Erfolg der Digitalisierung entscheiden wird.

Die Versorgungsforschung muss definieren, wie Daten in Apps und Wearables erfasst werden sollen, damit sie nutzbar werden für die Wissenschaft (10). Ziel ist es, den Bedarf und die Bedürfnisse von Anwendern an therapeutische Interventionen mit Hilfe der Daten aus der Lebenswirklichkeit von Patienten, sog. Real World Data (RWD) besser als bisher zu verstehen. Aufgabe wird es sein, den wissenschaftlich belegbaren Netto-Nutzen digitaler, komplexer Interventionen zu evaluieren. Deshalb spielt die praktische Ausgestaltung der sog. Datenspende für den Erfolg der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung ebenfalls eine zentrale Rolle.

Über HealthOn

Seit der Gründung der Plattform HealthOn steht die Einschätzung von Qualität und Sicherheit digitaler Gesundheitsanwendungen und die Stärkung der digitalen Kompetenzen von Nutzern im Fokus der Arbeit von Dr. Ursula Kramer und ihrem Team. Die Digital Health-Expertin ist Partnerin im Netzwerk der Healthcare Shapers und teilt ihre Expertise:

  • mit App-Anbietern, die die Qualität ihrer Angebote verbessern und sichtbar machen wollen (Qualitätspartnerschaft) und die Unterstützung brauchen auf dem Weg zur Zertifizierung ihrer Medizin-Apps als Medizinprodukte,
  • mit Unternehmen der Gesundheitswirtschaft, die Leistungserbringern (Ärzte, Apotheker, andere Gesundheitsfachberufe) Orientierung geben wollen. Mit CME-zertifizierten Webinare, die Angebot, Sicherheit und Qualität von Gesundheits- und Medizin-Apps in unterschiedliche Indikationsschwerpunkten darstellen, stärkt sie die Digitale Kompetenz und App-Literacy (11, 12) von Gesundheitsfachberufen.
  • mit Entscheidern im Gesundheitswesen, die über Marktstudien z. B. auch zu „Medizinprodukte-Apps“ Zugang erhalten zum Wissen über das derzeitige Angebot, über Nachfrage, Qualität und Sicherheit digitaler Gesundheitsanwendungen, um daraus strategische Impulse für die Entwicklung ihrer digitalen Leistungsportfolios abzuleiten.

Quellen:

  1. http://www.tagesschau.de/digitalisierung-gesundheitswesen-101.html
  2. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/digitalisierung-im-gesu…
  3. Marktanalyse Medizin-Apps 7/2019. HealthOn.
  4. https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/berufspolitik/article/…
  5. HealthOn: Online-Checkliste – Gute Gesundheits-Apps finden. https://www.healthon.de/checkliste
  6. https://www.aps-ev.de/wp-content/uploads/2018/05/2018_APS-Checkliste_Ges…
  7. https://www.healthon.de/blogs/2018/11/02/digitaler-stammtisch-senioren-d…
  8. https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Or…
  9. https://www.healthon.de/blogs/2018/05/17/siegel-f%C3%BCr-gesundheits-apps-markt%C3%BCbersicht-einordnung
  10. https://www.ebm-netzwerk.de/pdf/stellungnahmen/stn-dvg-20190611.pdf
  11. https://pharmacon.de/veranstaltungen/gesundheits-apps-zur-unterstuetzung…
  12. Online-Webinare GesundheitsApps: https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/e-health/article/992160/d…

Autoren des Beitrags

Dr. Ursula Kramer

The Digital Health Expert advises companies on successfully placing their innovations in the healthcare market, establishing sustainable business models and thus expanding the competitive position and growth of small and medium-sized pharmaceutical and medtech companies as well as start-ups.

Weitere Infos