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Lebenslanges Lernen und Kollaboration: Hot topics für die Gesundheitswirtschaft?

Lebenslanges Lernen und Kollaboration: Hot topics für die Gesundheitswirtschaft?

Wie wollen wir lernen im Strudel der Informationsgesellschaft, was brauchen wir, um die innovativen Transformationsprozesse zu gestalten, die Digitalisierung in allen Branchen und ganz besonders in der forschungsintensiven Gesundheitswirtschaft erst möglich macht? Wie gelingt es uns, Schritt zu halten, und neue Kompetenzen anzuwenden, die optimierte Arbeitsprozesse und bessere Patientenversorgung hervorbringen?

Dazu haben wir Günther Illert (1) befragt. Er ist Gründer der Healthcare Shapers (2), erfolgreicher Strategie Coach und erfahrener Kenner der Gesundheitsbranche. Seit mehr als einem Jahr ist er auch als Feldvernetzer für die FernUniversität Hagen aktiv (3). Seine Passion, Menschen zu vernetzen, Kontakte herzustellen und Brücken zu schlagen, fällt hier auf besonders fruchtbaren Boden. Kürzlich war er zu Gast im Podcast „Lernen neu Denken“, einem neuen Format der FernUniversität in Hagen (4).

Günther, was fasziniert Dich an Thema „Lebenslanges Lernen“?

Seit Anfang 2023 bin ich an der FernUniversität Hagen als Beirat tätig, genauer gesagt als „Feldvernetzer“ im Forschungsschwerpunkt Arbeit, Bildung, Digitalisierung (ABD) (3). Meine Aufgabe ist es, die verschiedenen Digital Health Projekte am ABD mit der Praxis — dem Feld — zu vernetzen.

Die Forschung befasst sich mit Auslösern, Verlauf und Auswirkungen von Digitalisierungsprozessen auf Arbeitswelten und Kompetenzerwerb. Im Feld Gesundheit wird beispielsweise beforscht, welche Persönlichkeitsmerkmale dazu beitragen, dass Ärztinnen und Ärzte Telekonsile nutzen (5), oder was man tun kann, um die Akzeptanz von DiGAs bei der Ärzteschaft zu erhöhen (6).

Die Dynamik des digitalen Wandels

Den Wandel, den die Gesundheitswirtschaft durch die Einführung digitaler Technologien erlebt, gestalten wir als Healthcare Shapers seit vielen Jahren in unterschiedlichsten Projekten unserer mehr als 140 Partner mit. Spätestens Tools wie Chat GPT, die für jeden einfach zugänglich sind, machen auch breiten Kreisen der Bevölkerung ganz praktisch klar, welche Möglichkeiten künstliche Intelligenz (KI) bietet. Auch in unseren Gesundheitssystemen eröffnet KI viele neue Möglichkeiten, die Effizienz der Patientenversorgung zu steigern, präzisere Diagnosen zu stellen und personalisierte Behandlungspläne zu entwickeln. Um die volle Bandbreite dieser Möglichkeiten ausschöpfen zu können, braucht es Experten, die schritthalten und die Chancen und Grenzen dieser neuen Tools kennen und diese auch selbstbestimmt nutzen können.

Lebenslanges Lernen: Die Grundlage für professionelles Wachstum

Die Ausbildung und Fortbildung für Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte sieht seit vielen Jahren kontinuierliches, lebenslanges Lernen vor. Seit 2004 gibt es für Ärzte die Pflicht CME-Punkte zu erwerben und damit den Nachweis zu erbringen, sich regelmäßig fortzubilden. Genügt das nicht?

Die geltende Approbationsordnung für Ärzte stammt aus dem Jahr 2002 (7), und damit quasi aus dem prädigitalen Zeitalter, Google wurde in Deutschland 2001 gegründet, das erste Smartphone erblickte 2008 das Licht der Welt. Seitdem hat sich vieles fundamental geändert, auch für Ärzte und Pflegekräfte oder auch für das Verwaltungspersonal in der Gesundheitswirtschaft. Lebenslanges Lernen ist nicht mehr nur eine Empfehlung, sondern zwingend notwendig, denn wie man digital kommuniziert, informiert, diagnostiziert oder therapiert lernen Gesundheitsprofis nicht im Studium, sondern durch eigenes Ausprobieren und Erleben, durch Nutzung ihrer Smartphones, Wearables und Apps im privaten und beruflichen Umfeld. Die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse auf diesem Gebiet ständig weiterzuentwickeln, ist auch für den Umgang mit verschiedensten medizinischen Daten erforderlich. Und den brauchen wir, um Gesundheitsdaten in der personalisierten Medizin nutzen zu können.

Und die Vielfalt der gesundheitsrelevanten Daten wächst sehr dynamisch: So soll die eigene DNA verraten, wie hoch das Risiko ist, an Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs zu erkranken. Und personalisierte Therapien sollen direkt in der DNA den Schlüssel zur Heilung ansetzen. Als 2001 das menschliche Genom erstmalig im Rahmen des Humangenomprojekts entschlüsselt wurde, haben über 1.000 Wissenschaftler aus 40 Ländern intensiv an dem Projekt gearbeitet; die Sequenzierung dauerte mehr als 10 Jahre und die Kosten betrugen ca. 3 Milliarden US Dollar (8). Heute kann sich jeder im Internet für wenige Euro über seine genetische Disposition für bestimmte Krankheiten oder über seine Arzneimittelunverträglichkeiten informieren. Die Hoffnungen auf schnellen medizinischen Fortschritt wachsen durch die technologische Möglichkeit zur Verarbeitung großer Datenmengen. Doch letztlich müssen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse auch den Weg in die Versorgung und Erstattung finden. Kein Medizintechnik- oder Pharmaunternehmen allein, keine Universitätsmedizin und auch keine Krankenkasse kann ohne Mitwirkung anderer an der Versorgung beteiligter Akteure die Versprechungen der Biowissenschaften in den medizinischen Alltag bringen.

Kollaboration über Fachgrenzen hinweg

Medizin und Gesundheit werden immer technischer, die Grenzen der Fachdisziplinen verschwimmen, wie verändern sich damit die Anforderungen an das Lernen?

Biowissenschaft braucht große Mengen Daten: Technologie macht es möglich

In unseren regelmäßigen HCS-Live Talks beleuchten wir immer wieder verschiedene Aspekte der smarten Nutzung von Gesundheitsdaten (9). Dabei wird klar, dass die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen immer wichtiger wird. Digitale Transformation erfordert nicht nur technische Kompetenz, sondern auch die Fähigkeit, über Fachgrenzen hinweg zu denken und zusammenzuarbeiten. Das ist auch eine Frage der Kultur: Dazu gehört Neugier, Offenheit, Motivation und Haltung. Ärzte lernen von und mit Datenanalysten, Softwareentwicklern und anderen Fachleuten. Sie suchen den Austausch auf Augenhöhe, um kollaborativ innovative Lösungen zu entwickeln und Synergien zu identifizieren, die helfen, die Versorgung ganzheitlicher und patientenzentrierter zu gestalten.

Best Practices für lebenslanges Lernen und Kollaboration

Um die digitale Transformation in der Gesundheitswirtschaft zu meistern, muss sich also unsere Vorstellung von Lernen und Zusammenarbeit wandeln. Das Hagener Manifest der FernUniversität zu New Learning stellt zwölf Thesen auf, um den Wandel in Gesellschaft und Arbeitswelt zu verstehen und aktiv mitzugestalten (10). Die Fähigkeit, konstruktiv und kooperativ miteinander zu lernen, zu agieren und mit den digitalen Wirklichkeiten reflektiert umgehen zu können, sind neue Kompetenzen, die wir brauchen. New Learning stellt die Lernenden in den Mittelpunkt und ermächtigt sie zum selbstbestimmten, lebenslangen Lernen in ihren digitalen Lebensrealitäten. Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind aufgerufen, gezielte Weiterbildungsprogramme einzuführen, die auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zugeschnitten sind. Es braucht Plattformen für den Austausch von Wissen und Ideen zwischen Fachleuten im Gesundheitswesen. In Foren und Online-Communities finden sich interdisziplinäre Teams aus Medizinern und IT-Spezialisten, Ethikern, die effektiv zusammenarbeiten und innovative Lösungen hervorbringen, die die Gesundheitsversorgung verbessern.

Fazit

Kommen wir zum Schluss: Ist das „Lebenslanges Lernen“ heute also das Hot topic für Unternehmensstrategen? Wie ist Deine Einschätzung?

Ja, das kann man so sagen. Lebenslanges Lernen und die Stärkung kollaborativer Kompetenzen sind unerlässlich, um medizinischen Fortschritt in der Gesundheitswirtschaft voranzubringen und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen. Nur Experten, die offen sind, ihre Fähigkeiten ständig zu erweitern und über Fachgrenzen hinweg zusammenarbeiten, werden in der Lage sein, diese großen Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern und die Vorteile der modernen Technologien voll auszuschöpfen. Die Befähigung zu lebenslangem Lernen ist damit nicht nur eine Investition in die individuelle berufliche Mitarbeiterentwicklung, sondern sie steht branchenübergreifend ganz oben auf der Agenda der Wachstumsstrategen in Unternehmen. Darüber hinaus ist sie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die maßgeblich über den wirtschaftlichen Wohlstand und die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland, Europa und weltweit entscheiden wird.

Let’s collaborate to shape healthcare — together!

Das Interview mit Günther Illert führte Dr. Ursula Kramer (11), Digital Health Expertin im Netzwerk der Healthcare Shapers.


Quellen

  1. Günther Illert 
  2. Healthcare Shapers Netzwerk – wir über uns   
  3. Feldvernetzer ABD FernUniversität Hagen   
  4. Podcast „Lernen neu Denken“.  
  5. Telekonsil – Kompetenzprofil Ärzte  
  6. Akzeptanz DiGA 
  7. Approbationsordnung Ärzte 
  8. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/09/14/humangenom  
  9. https://www.healthcareshapers.com/blogs/2023/03-13/patientenrolle-staerken-usp-business-modellen-digitaler-innovationen 
  10. https://newlearning.fernuni-hagen.de/das-hagener-manifest/ 
  11. Dr. Ursula Kramer  

Autoren des Beitrags

Dr. Ursula Kramer

The Digital Health Expert advises companies on successfully placing their innovations in the healthcare market, establishing sustainable business models and thus expanding the competitive position and growth of small and medium-sized pharmaceutical and medtech companies as well as start-ups.

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Günther Illert

Günther Illert is a Strategy Coach. He organises and facilitates strategy dialogues with executives, teams, and organizations to solve complex and burning issues. With his strategic outside perspective, he advises, creates alignment, and catalyses change.

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