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Virtuelle Konferenzen – wie geht das? Ein Erfahrungsbericht

Virtuelle Konferenzen – wie geht das? Ein Erfahrungsbericht

Ja Herrschaftszeiten, sogar das Münchner Oktoberfest mit über 6 Millionen erwarteten Besuchern wurde aufgrund des Coronavirus abgesagt! Online-Konferenzen und virtuelle Events hingegen schießen wie Pilze aus dem Boden. Was bedeutet das und worauf muss man als Veranstalter achten? 

Veranstalter wagen neue Wege von der Präsenz- zur Online-Veranstaltung. Manches läuft dabei anfangs holprig, doch die Lernkurven sind steil, wenn man sich erst einmal darauf einlässt, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Blitzstart – in zwei Wochen zur virtuellen Großveranstaltung

Paul Simms, Chairman & CEO bei eyeforpharma berichtet mir am Telefon, dass die Entscheidung, die für Ende März geplante 2-tägige Konferenz in Barcelona mit über 2.000 erwarteten Besuchern als virtuelles Event durchzuführen, erst zwei Wochen vorher gefallen sei. Nachdem die Pharmafirmen Reiseverbote erlassen hatten, trudelten über einen Zeitraum von rund 6 Wochen reihenweise Absagen von Teilnehmern ein. Die Stimmung beim Veranstalter war zunehmend getrübt. Doch mit der Entscheidung zur Video-Übertragung sei ein echter Ruck durch das knapp 10-köpfige Veranstaltungsteam gegangen. Tag und Nacht habe man gearbeitet, um das virtuelle Event zu stemmen.

Alle Referenten und viele Sponsoren haben mitgezogen. Hotels und Flüge wurden storniert und die Referenten mussten mit den neuen Rahmenbedingungen vertraut gemacht werden. Da die Tickets erstattet wurden bzw. kostenlos waren, konnte der Kreis der Anmeldungen schnell auf 15.000 ausgeweitet werden. Aus der ursprünglich 2-tägigen Konferenz mit 7 parallelen Tracks wurde eine 5-tägige Videoübertragung mit vielen Live-Präsentationen, Paneldiskussionen und Interviews. Als Plattform wählte man ZOOM und die teilweise vorher aufgezeichneten Präsentationen und Interviews wurden über VIMEO gestreamt. Die einzelnen Sessions hatten im Schnitt 1.000 Zuhörer, berichtet Paul Simms.

Von 150 bis 15.000 Teilnehmern – es funktioniert!

Aber Online-Konferenzen müssen nicht gleich diese Größenordnung erreichen und die typische Planungszeit liegt eher bei 6 Wochen. Ich war als Moderator für die 7. MedTech Rheinland-Pfalz am 12. Mai gebucht. Zu dieser Konferenz wurden rund 150 Teilnehmer und über 20 Aussteller in Mainz erwartet. Ende März informierte mich das Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz, dass auch diese Veranstaltung abgesagt werden solle. Auf meinen Vorschlag, doch zumindest einige der Inhalte online zu übertragen, reagierten Marlen Peseke und Daniela Arnold im Wirtschaftsministerium neugierig. Denn das Thema Künstliche Intelligenz und Robotik in der Medizintechnik sowie ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz sind geradezu prädestiniert für innovative Online-Formate.

Wir haben uns mit Michael Alf, einem Organisator virtueller Events im Video-Chat getroffen, um die technischen Voraussetzungen zu verstehen. Als er 2015 noch in Australien lebte, hat er begonnen, virtuelle Events zu organisieren und kennt sich mit den unterschiedlichen Möglichkeiten und Plattformen gut aus. In bilateralen Abstimmungen per Mail und Telefon und wöchentlichen Video-Jour Fixes bereiten wir nun die Veranstaltung am 12. Mai vor.

Die MedTech Rheinland-Pfalz wird auf Hopin gehostet. Diese Plattform bildet eine Tagung und Messe in einer virtuellen Welt ab. Nachdem sich die Teilnehmer registrieren, gelangen sie am 12. Mai ab 12:30 Uhr in den virtuellen Empfangsbereich. Sie können über 20 verschiedene Messestände besuchen und im Videochat mit den Ausstellern ins Gespräch kommen und sich über deren Angebote informieren. Oder sie begeben sich zum Networking, um für wenige Minuten mit einem anderen, zufällig ausgewählten Teilnehmer zu plaudern — genau wie bei einem Kaffee am Messeempfang — nur eben im privaten Videoraum.

Networking & Messebesuch – das geht auch virtuell

Die Vorträge starten um 13 Uhr mit der Begrüßung durch den Wirtschaftsminister und einer Key Note von Bart de Witte, anschließend folgt eine Podiumsdiskussion mit vier Experten. Nach einer virtuellen Kaffeepause, die wieder zum Ausstellungsbesuch und zum Networking Gelegenheit gibt, können sich die Teilnehmer ab 15 Uhr in einen der drei parallel stattfindenden, einstündigen Break-outs begeben, wo Themen vertieft diskutiert werden. Danach gibt es wieder eine Pause und die Break-outs finden nochmals statt. Jeder Teilnehmer kann also zwei von drei Sessions besuchen. Dabei können Zuhörer über den Chat Fragen stellen oder sich selbst zu Wort melden — der Moderator öffnet dann das Mikrofon für den Fragenden.

Die Vorbereitung – Was ist anders?

Die Vorbereitungen sind ähnlich intensiv wie bei analogen Veranstaltungen, aber sie beinhalten unterschiedliche Facetten. Neben allen inhaltlichen Programmfragen, die vergleichbar sind wie bei einer physischen Konferenz, geht es bei virtuellen Formaten nicht um Raumgröße, Bestuhlung oder Catering, sondern um Aspekte wie etwa dem besten Webbrowser oder Pixelgrößen für die virtuellen Messestände. Derartige technische Details müssen mit Ausstellern und Referenten vorab geklärt werden. Hierzu gibt es ausführliche Briefings durch Michael Alf und sein Team. 

Virtuelle Meetings – da geht noch mehr…

Alf beobachtet, wie ständig neue Online-Formate auf den Markt dringen. Er sieht eine Zukunft in spielerischen Anwendungen, bei denen Teilnehmer mit Avataren und VR-Brillen in eine virtuelle Welt teleportiert werden. Doch in der Life Sciences- und Gesundheitsbranche, die nach wie vor sehr traditionell agiert, muss man gar nicht so weit wie mit Avataren gehen. Warum nicht einfach auch mal ein Advisory Board als Online-Treffen per Video-Konferenz gestalten. 

Virtuelle Kongresse – einfach anfangen & Erfahrungen sammeln… 

Aus meiner Sicht ermöglichen virtuelle Zusammenkünfte ebenso wie physische Treffen die Wissensvermittlung und den Austausch unter Experten. Was wäre, wenn die gerade bei den Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie erlebte Welle globaler Solidarität nicht eine einmalige Sache bliebe. Was wäre, wenn Experten aus aller Welt in Zukunft in virtuellen Formaten Gedanken austauschen und gemeinsam Lösungen entwickeln? Wenn globale Crowd-Intelligence wirklich greifbar würde? Im Netzwerk der Healthcare Shapers praktizieren wir das bereits mit unseren rund 100 Partnern, nicht erst seit wir in 2019 unser Chapter in den USA gegründet haben. Durch Experimentieren entstehen neue Ideen und Innovation. Gerade deshalb sollte jetzt aus meiner Sicht beherzt virtualisiert statt abgesagt werden. Gerne unterstütze ich dabei.

Autoren des Beitrags

Günther Illert

Günther Illert is a Strategy Coach. He organises and facilitates strategy dialogues with executives, teams, and organizations to solve complex and burning issues. With his strategic outside perspective, he advises, creates alignment, and catalyses change.

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