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Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen – ein neuer Megatrend?

Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen – ein neuer Megatrend?

Every company and every industry will be transformed by the transition to a net zero world. The question is, will you lead, or will you be led? (1)

Larry Fink, CEO von BlackRock

Mit dem Thema “Nachhaltigkeit“ wird sich jedes Unternehmen zukünftig auseinandersetzen müssen, auch die Gesundheitsbranche. Sowohl bei der Ansprache von Investoren als auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern oder der Akquise neuer Kunden und Kooperationspartner – die Frage nach dem besseren Nachhaltigkeitskonzept wird mehr und mehr zum Differenzierungsmerkmal, das den Ausschlag geben kann.  

Nachhaltigkeitsstrategie – wo steht die Gesundheitsbranche im Moment?

Die Partner aus dem Netzwerk der Healthcare Shapers haben tiefe Einblicke in die MedTech- und Pharmabranche. Aus ihren Projekten kennen sie eine große Bandbreite von Organisationsstrukturen – von Startups über KMUs bis hin zu multinationalen Konzernen ist alles dabei. Wie lässt sich die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit mit der Chance auf bessere Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit verbinden? Im Diskurs mit Entscheidern der Gesundheitswirtschaft wollen die Healthcare Shapers verstehen, wo die Unternehmen heute in der Entwicklung ihrer Nachhaltigkeitskonzepte stehen, welchen Stellenwert das Thema derzeit hat und an welchen konkreten Herausforderungen die Unternehmen arbeiten.

Es gibt viele gute Gründe für ein Umdenken. Mit den folgenden Schlaglichtern unserer Partner eröffnen wir den Diskurs zu Sustainability in Healthcare, um in bester Healthcare Shapers Manier für und mit unseren Kunden die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu gestalten.

Ressourcen einsparen

„Für die kommenden Generationen noch Ressourcen übrig zu lassen – das ist wohl das altruistische Motiv, das am häufigsten zu hören ist, wenn es um Nachhaltigkeit geht.“ ist Peter Teich überzeugt. Und die Einsparpotentiale sind in der Tat in vielen Arbeitsprozessen offensichtlich, wie er am Beispiel von Pharmaunternehmen anführt. „Im Pharmamarketing geht es zum Beispiel um die Materialien für den Außendienst. Als ich angefangen habe, wurde viel auf Hochglanzpapier gedruckt. Mittlerweile ist das iPad als Gesprächsunterlage von Außendienstmitarbeitern und Ärzten gleichermaßen akzeptiert“, sagt Peter Teich.

Neue Wege zu mehr Nachhaltigkeit fordern Beteiligten eine Menge ab und verändern etablierte Organisationsstrukturen oft erheblich. Im Gegenzug eröffnen sich neue Chancen, wie Beispiele auch aus Arztpraxen zeigen. Dort halten z.B. digitale Terminplanungs-Apps Einzug.  Sie entlasten nicht nur die Ressource „Arzt und Praxisteam“ sondern reduzieren zudem bürokratische Aufwände. Weil Arbeitsabläufe durch neue digitale Angebote wie Video-Sprechstunden effizienter werden, verändern sich die Versorgungsstrukturen auch für Patienten – Anfahrtswege und Wartezeiten verkürzen sich, ihr Zeitaufwand wird geringer. Auch die Ressource „Außendienst“ profitiert von der neuen Möglichkeit, Besprechungstermine mit Besuchsärzten per Video-Call durchzuführen. „Für mich ist das eine Win-Win-Situation. Der Außendienstmitarbeiter kann mit mehr Ärzten sprechen, als wenn er durch die Gegend reist. Zeitgleich reduzieren sich die eingesetzten Zeit- und Energie-Ressourcen.“, so André Pöhler. Durch den Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Kraftstoffen lässt sich die Energiebilanz verbessern. Das spielt für Krankenhäuser mit hohem Energiebedarf eine wachsende Rolle.

Materialien recyceln und Müll vermeiden

Wäre der globale Gesundheits- und Lifesciences-Sektor ein Land, wäre er der fünfgrößte Emittent von Treibhausgasen (2). Denn durch die hohen Anforderungen an die Qualität von Arzneimittel- und Medizinprodukte-Verpackungen und die vielen Einmalartikel fallen große Mengen Müll an. Laut Christoph Eisenhardt ist „ein Recycling in diesem Bereich derzeit praktisch unmöglich. Die Umverpackung muss häufig die Sterilität von Produkten sicherstellen. Daher ist sie aus einem Materialmix gefertigt, der ein Recycling praktisch unmöglich macht. Die Einmalprodukte sind nach Gebrauch durch Blut- und Körperflüssigkeiten des Patienten kontaminiert und dürfen nicht einfach wie Haushaltsmüll recycelt werden.“ Gerade weil Produkte im medizinischen Bereich benutzerfreundlich und einfach anzuwenden sein sollen, bestehen sie aus unterschiedlichsten Komponenten und Materialien, die nicht sortenrein erfasst und recycelt werden können. Dadurch ist der Verbrauch an Ressourcen groß. Ein Beispiel: Der Ressourcenverlust durch das Infusionsset einer Insulinpumpe beträgt ca. 70 bis 200 Prozent des Ressourcenverlustes eines „Coffee-To-Go“-Pappbechers (gemessen in „person reserves“ (mPr/kg), einer Einheit, die die Bewertung von Material in Bezug auf sein Vorkommen auf der Erde und seinen Verbrauch erlaubt). Bei Verwendung einer benutzerfreundlicheren Patch-Pumpe steigt dieser Verlust auf 1.821.600 Prozent gegenüber dem Verlust eines Bechers. Grund dafür sind die vielen verschiedenen Materialien und die Elektronik, die bei der Herstellung einer Patch-Pumpe verbaut werden (3). Christoph Eisenhardt: Deshalb muss man mit den Nachhaltigkeitsüberlegungen bereits viel früher, bei der Entwicklung der Produktkonzepte, ansetzen. Und da können wir im Partnernetzwerk der Healthcare Shapers mit viel Knowhow punkten und smarte Lösungen entwickeln.“

Nachhaltige, biologisch abbaubare Kunststoffe haben für Manfred Augstein durch die Covid-Tests eine neue Relevanz bekommen: „Die Tests erzeugen Unmengen an Plastik- und Sondermüll. Bei Entwicklungen muss man darauf achten, nicht den billigsten, einfachsten Kunststoff zu verwenden. In der Chirurgie gibt es schon kleine Serien mit biobasierten Ansätzen. Leider werden sie noch sehr zögerlich genutzt, da die Materialien immer noch etwas teurer sind als die erdölbasierten Standardmaterialien.“ Aber: Die Preise werden sinken, wenn die Produktionsvolumina durch die zunehmende Nachfrage dieser Materialien steigen.

Regulatorische Hürden überwinden

Selbst wenn der Wille zu mehr Nachhaltigkeit in der Produktion, z. B. von Medizinprodukten, da ist, sehen sich Unternehmen häufig durch die regulatorischen Auflagen ausgebremst. Einmalartikel und deren Umverpackungen unterliegen hohen Standards an Hygiene und Sterilität. Auf die EU-Plastikabgabe für Medizinprodukte, die seit Januar 2021 eingeführt wurde, können Unternehmen nur bedingt reagieren, wie Detlef Mangels betont: „Wenn wir etwas an einem Produkt verändern, ist das nach der Medical Device Regulation (MDR) eine sog. Designänderung, die eine ganze Reihe von Anpassungen in den Zulassungsdokumenten erfordert bis hin zur Neuzulassung. Das verschlingt Ressourcen und braucht natürlich Zeit.“ Für Frank Sodha sind daher auch Kompromisse notwendig: „Wir haben zum Teil Vorschriften, die weit übers Ziel schießen und nicht zwingend notwendig sind, um die Sicherheit eines Medizinproduktes zu gewährleisten. Meiner Meinung nach müssen daher beide Seiten aufeinander zugehen –die Benannten Stellen, die über die Zulassung entscheiden, sowie die Hersteller, die ihre Produkte nachhaltiger als bisher in Verkehr bringen wollen.“

Wenn Nachhaltigkeit zur Pflicht wird… Reportingauflagen heute und morgen

Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit werden vom Gesetzgeber durch entsprechende Reporting-Pflichten forciert. Mit der in 2021 von der EU-Kommission vorgelegten Corporate Sustainability  Reporting Directive (CSRD) erweitert die EU auch für alle nicht kapitalmarkt-orientierten Unternehmen (für die zwei der folgenden Kriterien zutreffen: bereits für die Berichtsperiode 2023 die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung, wenn deren Bilanzsumme 20 Mio. EUR übersteigt, oder sie Nettoumsatzerlöse von mehr als 40 Mio. EUR ausweisen oder sie mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen.) Schätzungen gehen von bis zu 15.000 Unternehmen aus, die von den erweiterten Berichtspflichten allein in Deutschland betroffen sind. Eine der größten Neuerungen: Die Geschäftsführung ist künftig auch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung haftbar.

Die Berichterstattung zur unternehmerischen Sozialverantwortung wird auf Augenhöhe zur Finanzberichterstattung gestellt. Aspekte der Environmental Social und Governance (ESG) Betrachtung umfassen die gesamte Wertschöpfungskette wie beispielsweise die Ermittlung der eigenen CO2-Bilanz, Lieferkettenbetrachtungen oder die nachhaltigen Handlungen des Managements.  

Viele Unternehmen, die das Thema bisher nicht auf der Agenda hatten, werden damit plötzlich in die Nachhaltigkeitsdebatte gezwungen,“ ist Frank Roth überzeugt. „Immer mehr Unternehmen brauchen jetzt eine klare Strategie und pragmatisches Konzept, um sich diesem Thema zu stellen, bzw. es als Chance zu nutzen,“ fordert Peter Teich. Im Idealfall treiben eigens dafür vorgesehene Nachhaltigkeitsmanager das Thema und führen die operativen Aktivitäten in Unternehmen auch strategisch zusammen. „Momentan läuft es häufig anders: Nachhaltigkeit ist erstmal irgendwo aufgehängt und wird quasi mitgemacht. Eine klare Strategie ist bei den meisten Pharmaunternehmen nach meiner Erfahrung noch nicht erkennbar.“

Damit Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsvorteil wird – anfangen!

Nachhaltigkeit sei zum zentralen Selektionsdruck für heutige Geschäftsmodelle geworden, stellt Larry Fink, CEO der weltweit größten Investmentgesellschaft BlackRock fest (1). Demnach erwarten die meisten Stakeholder von Unternehmen, dass diese eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft übernehmen. „In den skandinavischen Märkten ist Nachhaltigkeit neben dem Preis bereits ein Entscheidungskriterium (4). Für Aktionäre, für Mitarbeiter, sowie für Kunden wird dieser Aspekt immer wichtiger,“ weiß Peter Becker aus seinen Beratungsprojekten.

Wir alle spüren im Alltag ein wachsendes Bewusstsein – nutzen statt Plastiktüten Leinenbeutel zum Einkauf und wir fahren – wenn möglich, mit dem Fahrrad zur Arbeit, anstatt mit dem Auto. Auch wenn der Medizintechnik- und Lifesciences-Sektor bisher nicht zu den Treibern der Veränderungsprozesse hin zu mehr Nachhaltigkeit zählt, wächst auch hier die Sensibilität und die Bereitschaft zum Handeln. „Das Problem? Wir reden noch zu viel über Nachhaltigkeit, sind noch zu zögerlich und erleben natürlich auch, dass die vielen Einflussfaktoren und Veränderungsprozesse kostenintensiv sind“, fasst Frank Sodha zusammen.

Die Healthcare Shapers unterstützen Unternehmen dabei, ihre zum größten Teil noch ungenutzten Nachhaltigkeitspotenziale zu aktivieren, diese in Nachhaltigkeitsstrategien zu verankern, um sich risikofester aufzustellen.

Autor des Beitrags: Markus Wild

Quellen:

Autoren des Beitrags

Dr. Christoph Eisenhardt

Dr. Christoph Eisenhardt is a business consultant and coach with an innovative approach and strong R&D knowledge. His focus is on supporting companies during transformations. Establishing efficient, cross-functional project teams and handling complex stakeholder environments is a key to Christoph’s client interaction.

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Peter Becker

Peter Becker constantly evaluates the changing pharma landscape, how these changes impact on pharma companies’ commercialisation models and what that means for required competencies.

As a consultant, Peter supports his clients in building and implementing forward-looking competency models and measures their teams’ proficiency in the relevant competency domains.

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Frank Roth

Market environments constantly change, even more in our globalized world. Companies are forced to actively adapt to new conditions on the strategic, organizational, and financial dimensions to secure existing business and explore new opportunities.

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Peter Teich

Peter Teich is a Marketing Expert with strong passion for patient adherence programs. Managing expectations is very important and he therefore validates the goals and the measures of success of a patient program. Peter’s independence allows him to develop programs that fit to the needs of the patient.

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