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Post-Market Surveillance – Der globale Trend zur aktiven Marktüberwachung

Post-Market Surveillance – Der globale Trend zur aktiven Marktüberwachung

Mit ihrem Geltungsbeginn hat die neue Europäische Medizinprodukteverordnung (MDR) zahlreiche Neuerungen eingeführt – darunter auch neue Vorschriften zur Marktüberwachung der Post-Market Surveillance (PMS). Und während der Fokus der Medizinproduktehersteller derzeit klar auf der Erstellung der MDR konformen Technischen Dokumentationen und Kennzeichnungen ihrer unter den ehemaligen Direktiven zugelassenen Produkte bis zum 26. Mai 2024 liegt und ein neues MDCG Dokument mit weiteren Erläuterungen und Empfehlungen das nächste jagt, hat die MDR fast nebenbei mit den neuen PMS Anforderungen wichtige Neuerungen eingeführt, die einen völlig neuen Ansatz verfolgen: Erstmals werden Hersteller in Europa dazu verpflichtet, aktiv und systematisch relevante Daten über die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit ihrer auf dem Markt befindlichen Medizinprodukte über deren gesamten Lebenszyklus hinweg zu sammeln, zu dokumentieren und zu analysieren. Da lohnt sich ein Blick über die europäischen Grenzen hinweg.

IMDRF setzt Maßstäbe für nationales Recht

Das Internationale Forum der Aufsichtsbehörden für Medizinprodukte (International Medical Device Regulators Forum – IMDRF) ist ein Zusammenschluss der wichtigsten Gesundheitsbehörden aus Australien, Brasilien, Kanada, China, der Europäischen Union, Japan und den USA sowie der Weltgesundheitsorganisation. Die Ziele des IMDRF waren von Beginn an die internationale Harmonisierung und Konvergenz der unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen. Selbst wenn die Publikationen des IMDRF nur empfehlenden Charakter für die nationalen Regularien haben, so bilden sie doch die Basis für die Rechtsvorschriften in zahlreichen Ländern. In dem strategischen Plan 2021–2025 erklärt das IMDRF nun die Stärkung der PMS und die Umsetzung des Ansatzes, Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus hinweg zu überwachen und zu entwickeln, als eines der Hauptziele der nächsten fünf Jahre.

Damit erkennt das IMDRF, dass die relativ kurze Entwicklungsphase eines Medizinproduktes möglicherweise nicht die Sicherheit und Wirksamkeit nicht angemessen widerspiegelt. Ein effektives PMS ist daher erforderlich, um den verschiedenen Faktoren, die nach der Markteinführung hinzukommen, entsprechend zu begegnen. Nur so ist es möglich, Risiken rechtzeitig zu identifizieren und mit Hilfe der gesammelten Daten das Medizinprodukt kontinuierlich zu verbessern.

Neue Anforderungen in Kanada ab Dezember

Auch die kanadische Aufsichtsbehörde Health Canada hat die Bedeutung der PMS erkannt. Mit der im Dezember 2020 geänderten kanadischen Verordnung „Medical Devices Regulations“ wird der Ansatz, Medizinprodukte während ihres ganzen Lebenszyklus strenger zu überwachen, gestärkt. Vom 23. Dezember 2021 an müssen Hersteller je nach Risikoklasse jedes Jahr oder alle zwei Jahre für Produkte der Klassen II, III und IV einen Summary Report vorlegen. Dieser sollte neben den gemeldeten Vorkommnissen auch weitere Informationen zu nicht meldepflichtigen unerwünschten Nebenwirkungen, Problemen mit dem Produkt oder Verbraucherbeschwerden beinhalten. Auch umfasst er schwerwiegende Risiken für die Gesundheit, die außerhalb Kanadas festgestellt wurden. Änderung der Nutzen-Risiko-Abwägung aufgrund der gesammelten Daten sind innerhalb von 72 Stunden zu melden.

Anpassung Australiens an Europa?

Die Therapeutic Goods Administration (TGA) arbeitet gerade an zahlreichen Verbesserungen ihrer eigenen Überwachungsfunktion. Dazu zählen neben mehr Transparenz und einer verbesserten Kommunikation mit Verbrauchern und Patienten auch die Einführung neuer IT Systeme und die Optimierung von Prozessen, um Risiken früher und besser zu identifizieren. Als maßgeblich erkennt die TGA auch den Vorteil der grenzüberschreitenden Nutzung von Daten, denn dadurch werden sowohl Hersteller als auch Behörden entlastet. Derzeit gibt es für Australien neben den Anforderungen an die Vigilanz und den sich daraus ergebenden Korrekturmaßnahmen noch keine Verpflichtung des Herstellers, den Markt aktiv zu überwachen. Doch das könnte sich bald ändern. Australien und die Europäische Union verbindet aufgrund der Anerkennung der Konformitätserklärung eine enge Zusammenarbeit. Der Geltungsbeginn der MDR in Europa stellt nun auch die TGA vor die Herausforderung, ihre regulatorischen Bestimmungen entsprechend anzugleichen.

Chinas kontinuierliche Marktüberwachung

Die neue Verordnung zur Überwachung und Verwaltung der Medizinprodukte Nr. 739 ist am 01. Juni 2021 in Kraft getreten. Diese stärkt die Befugnisse der chinesischen Aufsichtsbehörde National Medical Products Administration (NMPA) in Hinblick auf die Marktüberwachung und Inspektionen. Auch die Strafen bei Nichteinhaltung der Anforderungen sind empfindlich gestiegen. In China ist der Zulassungsinhaber, der in China auch der ausländische Hersteller ist, verpflichtet das Vigilanz- und PMS-Überwachungssystem in sein Qualitätsmanagementsystem zu implementieren. Gemäß Verordnung Nr. 739 muss der Zulassungsinhaber sein Produkt kontinuierlich überwachen, dessen Risiko bewerten und auf der Grundlage von Bewertungen wirksame Kontrollmaßnahmen ergreifen. Dazu gehören auch die Einreichung von periodischen Risikobewertungsberichten an die NMPA.

Mexiko: PMS ermöglicht vereinfachte Zulassungserneuerung

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen aktiver PMS und der Vereinfachung von Zulassungserneuerungen. Wird die Marktüberwachung nicht aufs Reagieren von eingehenden Beschwerden und Ereignissen beschränkt, sondern wird bewusst nach neuen Daten gesucht oder sogar klinische Nachbeobachtungen durchgeführt und so die Nutzen-Risiko-Abwägung stets aktuell gehalten, gibt es keinen Grund mehr, komplexe Erneuerungsprozesse zu fordern. Die mexikanische Behörde COFEPRIS hat in diesem Zusammenhang mit der am 01. Juni 2021 in Kraft getretenen Revision der Verordnung über die Gesundheitsprodukte erste wichtige Änderungen umgesetzt. Dazu gehört die Vereinfachung der Zulassungserneuerung, durch die u. a. nur noch ein vereinfachtes Verfahren für die erste Verlängerung der Marktzulassung notwendig wird. Alle folgenden Verlängerungen werden dann als einfache Meldung ohne Überprüfung von COFEPRIS eingereicht. Weiter bestehen bleibt hingegen die Anforderung, alle fünf Jahre mindestens drei Monate vor dem Erneuerungsantrag einen sogenannten Technovigilanz-Bericht einzureichen, der Sicherheits- und Verkaufsdaten des Produktes umfasst. Damit greift eins ins andere.

Ausblick: Die Bedeutung der PMS für zukünftige Prozesse und die Sicherheit von Medizinprodukten

Die aktive und systematische Marktüberwachung durch den Hersteller wird in den nächsten Jahren global einen immer höheren Stellenwert einnehmen. Denn bei aller Mehrarbeit und höherem Kostenaufwand darf nicht übersehen werden, welches Potenzial in ihr liegt. Eine aktive PMS bedeutet auch immer aktuelle Daten zum Produkt, eine optimale Nutzen-Risiko-Abwägung und ein stetiger Austausch der aktuellen Daten mit den Behörden. Damit entfällt die Notwendigkeit komplexer Überprüfungen der Zulassungserneuerung, sodass diese Prozesse in Zukunft minimiert werden können oder gar ganz wegfallen. COVID-19 hat es indes geschafft, dass die nationalen Behörden näher zusammengerückt sind. Sie haben den Vorteil erkannt, der im Teilen von Daten und Erfahrungen liegt, um davon gegenseitig zum Wohl der eigenen Bevölkerung zu profitieren. Dieses Teilen von durch die Marktüberwachung gewonnen Daten mag noch in den Anfängen sein, aber was EUDAMED für die Europäische Union vormacht, könnte auch auf internationaler Ebene verwirklicht werden. Das Ziel muss sein, Medizinprodukte für alle – weltweit – sicherer zu machen.

Die Autorin Katrin Rosen hilft mit ihrer RegIntAs Daedalus® Datenbank die gesetzlichen Bestimmungen aus den verschiedensten Länder im Bereich Medizinprodukte und Arzneimittel zu erfüllen. Sie schafft für Kunden der Pharma- und MedTech-Branche Zugang zu gut aufbereiteten länderspezifischen, regulatorischen Informationen, wie z.B. Produktzertifizierung und Sicherheitsberichte.