Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) – Mehr Datenschutz für Patienten?
Seit Jahren befindet sich deutsche Gesundheitsbranche im digitalen Wandel und sieht sich vor große Herausforderungen gestellt. Der 141-seitige Entwurf des neuen PDSG will den Rechtsrahmen schaffen, damit digitaler Fortschritt in der Patientenversorgung mit den persönlichen Datenschutzrechten von Patienten vereinbar wird. Was bei der Gestaltung des DVG (Digitale Versorgungsgesetz) zu erheblichen Bedenken der Datenschützer geführt hat, wurde zunächst ausgeklammert und jetzt im PDSG geregelt: Die Rahmenbedingungen für die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) und auch die Rahmenbedingungen des durch das GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung) eingeführten eRezeptes. Es sollen klare Regeln für Datenschutz und Datensicherheit in der Telematikinfrastruktur geschaffen werden. Dass es dem Gesetzgeber damit ernst ist, zeigen die hohen Bußgelder von bis zu 250.000 € bei Zuwiderhandlungen.
Zugang zur Gesundheitsversorgung – einfacher & sicherer
Der Patient soll künftig einen nutzerfreundlichen und datenschutzrechtlich sicheren Zugang zu digitalen medizinischen Leistungen erhalten, die ortsunabhängig über mobile Endgeräte oder Desktops genutzt werden können. Ziel soll es sein, dass jeder Patient unabhängig von seinem Wohnort von einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung profitieren kann, ohne dass dabei sensible Gesundheitsdaten unberechtigten Zugriffen ausgesetzt werden.
Kernstück des PDSG – Datennutzung innerhalb der ePA
Was
bereits geregelt ist: Jeder Versicherte hat ab Januar 2021 einen Rechtsanspruch
auf eine ePA, die Nutzung bleibt freiwillig.
Mit dem PDSG werden nun die Details der Nutzung konkretisiert:
- Der Patient alleine entscheidet über seine Gesundheitsdaten und wer darauf zugreifen darf.
- Nach Zustimmung erhalten Ärzte den Zugriff auf die ePA und sollen auch die Erstbefüllung dieser Akte, z. B. mit Behandlungsdaten und Daten aus Apps und Wearables des Patienten, vornehmen. Das Befüllen der ePA soll eine ärztliche Honorarleistung sein.
- Die 2021 eingeführte ePA wird nur eine vorläufige Version sein. Sie hat zum Start einen bedeutenden Schwachpunkt, denn der Versicherte kann nur nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip entscheiden, wem er Zugriff erteilt, d. h. die Freigabe betrifft die (gesamten) Gesundheitsdaten des Patienten, die auf der ePA gespeichert sind.
- Erst ab 2022 kann der Patient für einzelne Daten und Dokumente festlegen, welcher Arzt sie einsehen kann, wie lange sie gespeichert und wann sie gelöscht werden.
- Dann wird es auch möglich sein, über ein mobiles Endgerät (Smartphone oder Tablet) auf die ePA zuzugreifen. Auch die Überweisungen zum Facharzt sollen durch elektronische Übermittlung erfolgen können. Patienten ohne mobile Endgeräte, erhalten diese von ihrer Krankenversicherung.
- Bei einem Krankenkassenwechsel können Patienten ihre Gesundheitsdaten aus der ePA übertragen lassen.
- Ab 2023 wird Patienten die Möglichkeit eingeräumt, ihre Daten aus der ePA als freiwillige Datenspende zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen. Durch Nutzung dieser Daten unter Anwendung neuer Methoden des maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz wird ein großer Innovationsschub erwartet in der Prävention, Diagnose und Therapie von Erkrankungen. Die Forschungsabteilungen von Wirtschaftsunternehmen sollen keine Einsicht in diese Daten bekommen, was den Forschungsstandort Deutschland im internationalen Vergleich schwächen wird, wie Vertreter der Life Science und Pharmabranche fürchten. Datenschützer bemängeln, dass die Datenspende nicht widerruflich ist und, dass den Krankenkassen ermöglicht werden soll, die „zusätzliche Daten“ der Versicherten etwa aus Fitnesstrackern oder Wearables zu verarbeiten.
Das eRezept – Arzneimittel mit App einlösen
Eine weitere Erleichterung soll das eRezept mit sich bringen, welches der Patient in einer Vor-Ort oder Online-Apotheken einlösen kann. Die Projektgesellschaft Gematik soll hierfür eine App entwickeln, die sowohl von den Patienten als auch von den Ärzten genutzt werden kann. Dass die Projektgesellschaft Gematik allein die App für das eRezept entwickeln soll, könnte als wettbewerbsrechtliche Marktverletzung gedeutet werden. Die datenschutzrelevante Haftungsfreistellung der Projektgesellschaft Gematik sehen Datenschützer ebenfalls als bedenklich.
Höhere Anforderung an Datensicherheit belastet Arztpraxen
Der Zahnärzteverband begrüßt im Grundsatz die Idee für mehr Datenschutz für Patienten. Bemängelt werden Unklarheiten bei der Haftungsverteilung in Bezug auf Datensicherheit und Datenschutz. Befürchtet werden außerdem zu hohe Belastungen der Praxen für die Sicherstellung der erforderlichen IT-Sicherheit. Die ärztliche Haupttätigkeit soll nicht durch einen unverhältnismäßigen Aufwand für Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen beeinträchtigt werden.
In der konkreten Ausgestaltung der Aufgaben sind noch viele Fragen offen: Die Befüllung der ePA ist ein technisch und organisatorisch komplexer Vorgang und fällt nicht in die primär ärztliche Kompetenz (z. B. Verbindung der jeweiligen App zum Praxisnetzwerk, Authentifizierung, etc.). Die Honorierung ist im Gesetz bereits vorgesehen, die Hürden in der praktischen Umsetzung werden unterschätzt, befürchten die Ärzteverbände.
Klare Rahmenbedingungen für eine zukunftsorientierte Patientenversorgung
Der Gesetzgeber unternimmt aktuell zahlreiche Schritte, um digitale Lösungen schnell in die Versorgung und damit zum Patienten zu bringen. Auf diesem Weg ist das PDSG eine weitere Maßnahme, um einen fairen Ausgleich zu schaffen zwischen den Datenschutzinteressen der Bürger und den Anforderungen der medizinischen Forschung an eine bessere Nutzung von Versorgungs- und Patientendaten. “Der Entwurf wirft viele neue Fragen auf und lässt Details in der Umsetzung offen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die einzelnen Akteure zu den neuen Verpflichtungen positionieren und wie die Gesetzesanpassungen ausgestaltet werden, um mit klaren Rahmenbedingungen zur Datennutzung eine transparente und zukunftsorientierte Patientenversorgung zu unterstützen,” so Natalya Spuling. Die Rechtsanwältin im Netzwerk der Healthcare Shapers ist spezialisiert auf IT-Recht im Gesundheitswesen und berät Unternehmen und Verbände in allen datschutzrechtlichen Belangen.
Quellen:
- Entwurf eines Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/P/Referentenentwurf_Patientendaten-Schutzgesetz__PDSG.pdf
- https://www.aok-bv.de/hintergrund/gesetze/index_23178.html
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/212398/Patientendaten-Schutzgesetz-Aktenbefuellung-ohne-Weitsicht
- https://de-de.nexus-ag.de/unternehmen/magazin/patientendatenschutzgesetz
- https://www.medical-tribune.de/praxis-und-wirtschaft/ehealth/artikel/patientendaten-schutzgesetz-10-euro-fuers-erste-befuellen-der-elektronischen-patientenakte/
- https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/dvg-ein-sprung-mit-zu-kurzem-anlauf
- https://www.heise.de/newsticker/meldung/Viel-Kritik-am-geplanten-Patientendaten-Schutzgesetz-4671283.html
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Health-IT, Patientenorientierung
Das deutsche Gesundheitswesen – (noch nicht) digital
In Deutschland erwirtschaften bereits 27 Prozent der Unternehmen mehr als 60 Prozent ihres Umsatzes auf digitalen Kanälen. Schlusslichter sind laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Monitoring Report Wirtschaft Digital die Einrichtungen des Gesundheitswesens und die Pharmaindustrie. Die Ursachen sind vielfältig, doch die Notwendigkeit ist hoch, Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben. Praktische Beispiele zeigen Nachbarländer auf, wo der Patient dank digitaler Vernetzung eine individuelle Versorgung genießt.
Ein Kernproblem für den zögerlichen Wandel von „individuellen, papiergebundenen Abläufen hin zu strukturierten, wiederholgenauen und geplanten Prozessen, die durch Informationstechnik gestützt und abgebildet werden“, so eine Definition für Digitalisierung, ist das Fehlen einer Nachfrageseite im deutschen Gesundheitsmarkt. Helfende Marktkräfte werden zum Beispiel durch paternalistische Traditionen unterbunden: Ärzte und andere Heilberufe wehren sich dagegen, Digitalisierung zuzulassen und damit Inhalte, Abläufe und Wissen zu demokratisieren. Kassenärztliche Vereinigungen wiederum entscheiden unter dem Deckmantel der Versorgungssicherheit und der Bedarfsplanung hoheitlich über den kollegialen Schutz vor anderen. So lassen sich schwer neue Praxen umsetzen, in denen Digitalisierung normal sein könnte: durch den Zugang aller zur gleichen Datenlage, Integration von Telemedizin in den Alltag oder nur eine Online-Terminplanung für Patienten. Die deutschen Apotheken ihrerseits gehen gerichtlich gegen den Online-Wettbewerb vor und Pharmaunternehmen ruhen sich auf ihren momentanen Renditen aus, obwohl letztere über riesige Wissensressourcen verfügen, um sich „dem individuellen Patienten“ zuzuwenden. Nicht nur die Weltgesundheitsorganisation beklagt, dass die Hälfte aller Medikamente nicht sachgerecht oder gar nicht eingenommen werden. Diese meist bewussten Patientenentscheidungen machen damit 50 Prozent der Aufwendungen des Gesundheitssystems frucht- und erfolglos.
Digitalisierung bedeutet Demokratisierung und Individualisierung
„Cave linguam“ hieß es früher, wenn Patienten während der Chefarztvisite nicht zu viel verstehen und Assistenzärzte ihre Zunge im Zaum halten sollen. Heute gibt es Internetseiten, die Befunde und Diagnosen in Patientensprache übersetzen, Arbeitsgruppen, die Beipackzettel verständlich machen und nicht zu vergessen: „Dr. Google“. Patienten sind weit entfernt davon, eine amorphe Masse darzustellen. Millionen individueller Patienten suchen nach Antworten auf die Fragen „Was habe ich? Was tut das mit mir? Was kann ich dagegen tun?“ und müssen „fragefähig“ gemacht werden, um eine Nachfrage ausüben und gute Entscheidungen treffen zu können. Patientenindividuelle Unterstützung in großem Stil kann deswegen nur die digitale Technik leisten.
Das Kantonspital Genf stellt bereits eine technische Plattform bereit, auf der jeder Patient seine Daten sehen, mit eigenen Erkenntnissen anreichern und mit Menschen seiner Wahl teilen kann. Auch der National Health Service (NHS) in England plant das Gesundheitswesen in absehbarer Zukunft vollständig papierlos zu gestalten. Partizipation, Fragefähigkeit, sachgerechte, zertifizierte und verstehbare Informationen zur eigenen Erkrankung herzustellen, muss Ziel der Digitalisierung im Gesundheitswesen sein. Die Frage ist, welche der aktuellen Player im Gesundheitswesen sich diesem Thema wann verschreiben werden? Solange Ärzte per Gesetz vor ihren Kollegen, Ärzte vor Apothekern und diese wiederum vor anderen Apotheken geschützt werden, und es nicht gelingt, die sektorale Trennung aufzuheben, bleibt Digitalisierung eine erkennbar unwillkommene Randerscheinung.
Handeln, bevor Uber kommt
Möglicherweise wird es ein digitales Startup sein, dass Krankheitsprävention und Patientenversorgung auf den Kopf stellt, „radikale Patientenorientierung“ umsetzt und Pharma zur Zulieferindustrie degradiert. In einem solchen Szenario werden Krankenkassen und -versicherungen nur Kostenträger bleiben. Es wird auch hier gelten: Wer sich nicht ändert, wird geändert.
Die digitale Disruption hat erst begonnen und ihr Momentum beschleunigt sich weiter. Es ist wert daran zu denken, dass Paypal nicht von einer Bank und AirBnB nicht von einem Hotelkonzern betrieben werden. Und die „Ubers dieser Welt“ erfreuen sich inzwischen an der Automobilindustrie als wesentlichem Teilhaber. Digitalisierung wird sicherstellen, dass Patienten ihre eigene Erkrankung besser managen können. Nicht nur deswegen verdient das deutsche Gesundheitswesen einen deutlichen und baldigen Digitalisierungs- und damit Effizienzschub. Die Zahl der “Windows of Opportunity“ für die einschlägigen Industrien derzeit ist groß.
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Patientenorientierung
eHealth: untapped opportunities in line with medication plan
According to the new German e-health law, GPs have to provide their patients receiving more than three prescription drugs a written medication plan. This shall improve safety of drug therapy (and reduce redundant prescriptions). As the eHealth card is far from full implementation, medication plans will be handed out in paper form only.
Obviously, this leads to multiple questions, e.g. who will educate patients, what role will pharmacists play, what about OTC, etc.
As Healthcare Shapers we engage with our clients to navigate in times of such uncertainty and leverage untapped opportunities.
We held a masterclass on September 6th, 2016 in Cologne which received excellent feedback from participants. Contact us to find out more.
- Veröffentlicht in E-Health, Patientenorientierung
Watch our video on collaborative problem solving
This video (click on the yellow text) was taken in November 2014 during the “DenkWerkstatt”, a collaborative problem solving event of the Healthcare Shapers.
33 participants from different companies gathered for two days in Berlin to create innovative business models for better patient care. This video shows the intense and creative atmosphere during the event.
Contact Günther Illert (info@g-illert.de, +49 (0) 162 2343 600) to explore how a similar format might help you to leverage the wisdom of large groups to solve your complex problems.
- Veröffentlicht in Patientenorientierung
DenkWerkstatt — Event in retrospect
November 2014 was marked by 2 intense days of collaboration between 33 experts from pharma companies, payer organizations, providers and patient representatives. The Healthcare Shapers invited for a unique event to discuss about business models for better patient care.
We spoke about the role of emotions in patient communication, analyzed levers for better care, identified the need for cross-company and cross-sector collaboration. We looked at gaming, broke down big data in manageable chunks, and created ideas for new business models such as a system navigator.
If you would like to learn about patient programs that work contact Günther Illert to find out more.
- Veröffentlicht in Patientenorientierung
Vision & Reality of Patient Programs — Survey Results
A recently completed study of the Healthcare Shapers compiles the opinion of 114 experts and executives on Patient Programs and reveals interesting insights.
Some ? of existing patient programs are described as successful based on the following measures:
— Inherent quality of the patient program, e.g., shown in high adoption rates by patients
— Outcome based reasons, e.g., leading to better adherence
— Acceptance from providers & payers, e.g., ensuring that HCPs refer patients to such programs
— Priority in the industry, e.g., providing sufficient funding
The failure of patient programs is attributed to:
— Poor design, e.g., programs not aligned to patient needs
— Poor implementation, e.g., insufficient involvement of doctors and nurses
— Low adoption, e.g., programs not scaleable beyond pilot stage
In summary, the quality and individualization of a patient program are critical success factors. With the increasing proliferation of smartphones and tablet computers, mobile consumer technologies are expected to take an increasing share in medical applications.
The study provides insights into elements that should be addressed to educate and motivate patients through such programs. It also highlights barriers and shows where the industry seeks support in designing and implementing successful patient programs.
You can download the report (German or English version available) in our download section.
Contact us to find out how your organization could leverage the power of patient programs.
- Veröffentlicht in Patientenorientierung
Patient- & Outcomes-Oriented Solutions
Putting patients’ needs first is key to ensure adherence. But this is not enough. Other points of contact such as friends and family, doctors, nurses, pharmacists also play an important role. But how to engage all relevant stakeholders in a patient-oriented care program? And how to adapt the interaction points over time when a disease progresses? And who will pay for the required services? How will digital technologies and remote monitoring such as the rapidly developing landscape of apps alter the situation?
These are some of the questions that a sub-group of our network addresses. We were surprised to find out during the kick-off of the Patient-oriented Solutions Group how many pieces of the puzzle we already could combine in our very first meeting. And we continue to expand our reach and at the same time strive for very practical pilot projects to prove the concepts.
You are invited to download the results from our survey with 114 experts and executives about Patient Programs for free!
Contact us to find out more.
- Veröffentlicht in Patientenorientierung