EU Artificial Intelligence Act (AIA) – Impact für Medizinprodukte-Hersteller?
Künstliche Intelligenz (KI), oder Englisch „Artificial Intelligence (AI)“, hat sich zu einem regelrechten Hype entwickelt. Und das nicht nur, weil es cool klingt, sondern weil man mit aktuellen Methoden der KI ganz praktische Aufgaben des täglichen Lebens unterstützen oder sogar automatisieren kann – Aufgaben, die bisher dem Menschen, und hier sogar absoluten Spezialisten, vorbehalten waren. Genau dieses – „die Maschine kann nun, was sonst nur Menschen konnten“- hat wohl die EU auf den Plan gerufen, denn auch Maschinen können und werden Fehler machen. Und genau wie bei Menschen, ist nicht jeder Maschine in jeder Angelegenheit blind zu vertrauen. Im April 2021 hat die EU-Kommission ihren Entwurf für eine Verordnung über Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence Act, AI Act) veröffentlicht. Die neue vorgeschlagene Regulierung erfasst sehr breit zahlreiche Produktbereiche, darunter Medizinprodukte gemäß EU 2017/745 (MDR) und In-Vitro-Diagnostika gemäß EU 2017/746 (IVDR). Wie viele der aktuell bereits auf dem Markt verfügbaren Medizinprodukte bereits KI einsetzen, ist schwer abzuschätzen. Betrachtet man das Marketing von Medizinprodukten, sind es bereits sehr viele, und die Zahl wird wahrscheinlich weiterhin stark zunehmen. Die Technik hat sich bewährt und hat bereits neue Anwendungsfelder erschlossen.
Sechs Fragen an Oliver Hilgers, Experte für Software als Medizinprodukt (Sofware as Medical Device, SaMD)
Frage 1: Die Regulierung spricht von KI-Produkten. Sind damit sämtliche Produkte gemeint, oder wie stelle ich fest, ob ich von der neuen Regulierung betroffen sein werde?
Die Regulierung umfasst eine sehr breite Spanne von Produkten aus den verschiedensten Anwendungsbereichen – vom Auto bis zur Kreditwürdigkeitsbestimmung-, darunter auch Medizinprodukte. Der Grad der Regulierung orientiert sich dann am Risiko der Anwendung: Von Geboten bei niedrigem Risiko bis zu Verboten von Anwendungen wie Social Scoring. Das Gros der Regulierung dreht sich um die sogenannten Hoch-Risiko-KI.
Konkret für Hersteller von Medizinprodukten bedeutet das vereinfacht: Wenn das Medizinprodukt Künstliche Intelligenz zur Erfüllung der Zweckbestimmung enthält, dann bin ich grundsätzlich von der neuen Regulierung betroffen. Die Definition von Künstlicher Intelligenz im AIA ist dabei überraschend breit gefasst und wird vermutlich noch Diskussionen aufwerfen (1,2).
In der vollen Breite der neuen Anforderungen, d.h. als Hoch-Risiko-KI, sind allerdings nur Medizinprodukte erfasst, die einem Konformitätsbewertungsverfahren durch Dritte unterliegen. Übersetzt bedeutet das, Medizinprodukte der Klasse IIa oder höher, die durch eine Benannte Stelle, z.B. dem TÜV, zertifiziert werden müssen.
Frage 2: Wenn Medizinprodukte-Hersteller ihr KI-Produkt bereits von einer Benannten Stelle überprüfen lassen müssen, reicht das nicht eigentlich aus, oder gibt es weitere Anforderungen, die über die Medizinprodukteverordnung hinausgehen?
Mit dem AIA kommen eine Reihe neuer Anforderungen an Prozesse und Dokumentation, welche zwar dem Stand der Technik bei der Entwicklung von KI-Algorithmen entsprechen, sich aber in diesem Umfang und Detail nicht unmittelbar aus der MDR ableiten lassen. Zum Beispiel wurden die Anforderungen zur Cybersecurity in KI spezifischen Bereichen konkretisiert, und im Bereich des Managements der Trainings- und Testdaten sind neue Anforderungen formuliert worden:

Frage 3: Gibt es unter den neuen Anforderungen welche, die dir besondere Sorgen bereiten?
Sagen wir, ich sehe einige Herausforderungen. Die Anforderungen bezüglich der menschlichen Aufsicht über die KI ist zumindest ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es im höchsten Maße wünschenswert, der Maschine über die Schulter schauen zu können, um ggf. eingreifen zu können. Andererseits könnte es passieren, dass die Umsetzung von Echtzeitanwendungen erschwert oder sogar verhindert werden, da hier die menschliche Aufsicht nicht effektiv vor dem Wirken der KI umgesetzt werden kann. Hierzu wird es noch mehr Diskussionen zur Risiko-/Nutzen-Abwägung und zur konkreten Umsetzung für spezifische Produktkategorien geben müssen.
Frage 4: Ich habe als Hersteller ein Produkt der Klasse IIa, wie läuft dann die Zertifizierung der Anforderungen aus dem AIA ab?
Die Zertifizierung soll durch für den AIA benannte Stellen erfolgen. Benannte Stellen für Medizinprodukte sollen zusätzlich für die Zertifizierung der AIA qualifiziert und benannt werden. Man sollte sich also am besten eine Benannte Stelle suchen, die dann beides abdeckt. Wie viele der ohnehin schon wenigen für die MDR benannten Stellen die Zertifizierung für den AIA auf sich nehmen werden (3), ist schwer vorherzusagen, insbesondere, da sich bereits jetzt schon die Zertifizierungen nach der MDR bei den Benannten Stellen türmen.
Frage 5: Ab wann werden die Anforderungen verbindlich?
Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht sehr weit fortgeschritten, hat aber bereits mehrere Runden durch den Rat der EU gedreht und einige Länder habe ihre Einwände eingereicht (1). Ein finales Publikationsdatum lässt sich derzeit schwer abschätzen. Es wird außerdem Übergangsregelungen geben ab Gültigkeitsdatum der AIA.
Frage 6: Was ist dein Rat an Medizinprodukte-Hersteller?
Jetzt anfangen! Auch wenn vielleicht manches Detail im Gesetzgebungsverfahren noch geändert wird, machen Sie sich zeitnah mit den neuen Anforderungen aus der AIA vertraut, und planen Sie die wesentlichen, neuen Dokumentationsinhalte und Funktionalitäten so früh wie möglich. Einiges lässt sich nachträglich nur schwer oder gar nicht nachrüsten. Viele der neuen Anforderungen werden voraussichtlich im Kern bestehen bleiben, da sie Forderungen anderer Experten, z.B. des Team NB ähnlich sind (2).
Außerdem mag es sinnvoll sein, sich über Verbände aktiv in das laufende Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Einiges im AIA ist bisher nicht sehr klar beschrieben oder ist sehr strikt formuliert und kann unter Umständen die Entwicklung von bestimmten Medizinprodukten be- oder im schlimmsten Fall sogar verhindern.
Oliver Hilgers – Partner im Netzwerk der Healthcare Shapers- ist Mitglied in verschiedenen Normenausschüssen der EU. Er gestaltet mit seiner Expertise die Zulassungsprozesse von Software und digitalen Therapien, die als Medizinprodukte zertifiziert sind und vermehrt auch mit Methoden der Künstlichen Intelligenz arbeiten. Oliver Hilgers berät Unternehmen, wie sie ihre Innovationen als zertifizierte Medizinprodukte sicher und effizient in die Patientenversorgung bringen können.
Quellen:
- https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2021/698792/EPRS_BRI(2021)698792_EN.pdf
- Fragenkatalog „Künstliche Intelligenz bei Medizinprodukten“; https://www.ig-nb.de/dok_view?oid=824260
- Team-NB Position Paper; https://www.team-nb.org/wp-content/uploads/2021/10/Team-NB-PositionPaper-Artificial-Intelligence.pdf
- Vorschaubild: Artificial Neural Network with Chip, Wikimedia
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Health-IT
Die Krux mit der Evaluation – Nutzen einer DiGA?
Auch nach mehr als einem Jahr DiGA-Verzeichnis (1) ist offen, ob der vom BfArM aufgezeigte Weg geeignet ist, digitale Innovationen im “Fast Track” in die Regelversorgung und damit zu den Patienten zu bringen (2).
Bald ist DiGA-Bescherung
Die erste DiGA, die nach einer 12-monatigen Erprobungsphase zeigen muss, ob sie dauerhaft den Sprung ins DiGA-Verzeichnis schaffen kann, ist die Kalmeda-App (3), eine App, die die Belastungen durch störende Ohrgeräusche lindern soll. 12 Monate Zeit sind nicht viel für die Evaluation einer komplexen Intervention wie einer digitalen Anwendung, deren Wirkung von vielen Einflussgrößen abhängt. Dass es eine Fristverlängerung um weitere 3 Monate braucht, liegt auf der Hand. Für die erste, im DiGA-Verzeichnis gelistete App, läuft diese zum 24.12.2021 aus. Dann ist DiGA-Bescherung – ein Realitätscheck, der mit Spannung erwartet wird. Funktioniert der vom BfArM aufgesetzte Prozess zur Erprobung tatsächlich? Lassen sich innerhalb von 12 Monaten genügend Patienten rekrutieren, um signifikante, positive Versorgungseffekte nachweisen zu können?
Geld für DiGAs ohne Evidenz?
Die Studienlage für die gelisteten DiGAs ist dünn, die meisten DiGA-Studien (n=20) sind lediglich in Planung (4). Klinische Evidenz von DiGAs wird in der Erprobungsphase generiert, das spart Zeit und Geld, soll die Patientensicherheit jedoch nicht gefährden. Deshalb ist die Eintrittshürde ins Verzeichnis extrem hoch angelegt – und lediglich Medizinprodukte mit geringem Risiko, deren Leistungsfähigkeit und Sicherheit ihre Hersteller im Rahmen der Zertifizierung dokumentiert haben (gilt für alle DiGAs der MDD Risikoklasse I), kommen als App auf Rezept überhaupt in Frage (2). Nur diesen Apps wird die Möglichkeit eingeräumt, klinische Studien zum Nutzennachweis in einer von der GKV-finanzierten Erprobungsphase durchzuführen.
Was darf eine DiGA kosten?
Über die Höhe eines angemessenen Preises scheiden sich die Geister: Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen warnt vor unkontrollierter Verordnung von DiGAs und sieht eine Ausgabelawine auf die Kassensysteme zu rollen und fordert ein „Höchstpreis-Modell (6). Die Vertreter der Ärzteschaft kalkulieren einen Milliardenmarkt (7,8). Tatsächlich nehmen sich die Verordnungen innerhalb eines Jahres eher bescheiden aus, der Hersteller der Kalmeda-App gibt sie mit 10.000 an, d. h. lediglich 0,5 Prozent der aktuell aufgrund einer Tinnitus-Erkrankung behandelten Patienten erhält diese DiGA (9). Trotzdem geht die Angst vor Fehlversorgung durch DiGAs um, die KBV winkt mit dem Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot, das auch für Digitale Gesundheitsanwendungen gelte (10).
DiGA Hersteller stöhnen unter der hohen Kostenlast
Eine digitale Anwendung als Medizinprodukt zu zertifizieren, klinische Studien zum Nutzennachweis zu führen und ein Vermarktungskonzept aufzusetzen für eine ganz neue Produktklasse - das alles verschlingt riesige Budgets. Nur ein kleiner Kreis von Herstellern geht hier ins Risiko - keiner der großen etablierten Arzneimittel- oder MedTech-Unternehmen ist dabei (5). Es sind Unternehmen, die auf die Risikobereitschaft von Investoren setzen. Und diese wittern Chancen, so dass die Zahl der digitalen Anwendungen, die formal gemäß §33a SGB V die Voraussetzungen für eine DiGA-Antragstellung mitbringen, dynamisch wächst (11). Die Erstattung im Rahmen der Regelversorgung und der Zugang zu 73 Mio. gesetzlich Versicherten, ist verlockend.
Digital Health Literacy - ein dickes Brett für Innovatoren
Dass die "richtige" App zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Patienten verordnet werden kann, setzt Lern- und Veränderungsbereitschaft sowohl bei Arzt bzw. Psychotherapeut als auch bei Patienten voraus. Für alle Beteiligten bedeuten digitale Therapien Neuland, sie müssen diese neuen Tools - dauerhaft - nutzen können und wollen. Deshalb braucht es - trotz Rückenwind vom Gesetzgeber - vor allem Maßnahmen zum Ausbau der Digitalen Gesundheitskompetenz, die Vertrauen schaffen und die Akzeptanz von DiGAs stärken, damit diese als Bausteine in der Therapieplanung und Therapieführung genutzt werden.
DiGA: Kein Sprint - eher Langstrecke!
- Ja, der Turbo für digitale Innovationen ist mit dem DVG und dem Start des DiGA-Verzeichnis vor 12 Monaten gezündet.
- `Ja, es kommt was an im DiGA-Verzeichnis: Immerhin 24 digitale Gesundheitsanwendungen in 12 Monaten, aber es kommt noch wenig bei den Patienten an (12).
- Noch offen: Die Evaluation von digitalen Gesundheitsanwendungen ist weiterhin auf dem Prüfstand und damit auch der Prozess der Preisfindung (13).
- Noch strittig: Der faire Preis einer DiGA. Eine digitale Therapie soll nicht mehr, aber auch nicht weniger kosten dürfen als eine "nicht-digitale" Versorgungsalternative, wenn sie so wirksam und sicher ist, wie diese. Dieser Nachweis steht für den Großteil der DiGAs weiter aus.
Die Autorin dieses Beitrags, Dr. Ursula Kramer, Partnerin im Netzwerk der Healthcare Shapers, berät Unternehmen bei der Entwicklung, Zertifizierung und Evaluation sowie bei der Vermarktung digitaler Medizinprodukte. Zu ihren Kunden zählen Startups sowie etablierte MedTech-Unternehmen, die mit digitalen Anwendungen den Schritt in Richtung integrierte Versorgungskonzepte gehen. Die Digital Health Expertin hat bereits vor 10 Jahren die Qualitätsplattform für Gesundheitsapps HealthOn gegründet und gestaltet seither - im besten Sinne eines Healthcare Shapers - mit Expertise und Leidenschaft die Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung. Mehr zu DiGAs, Apps und Co. auf Healthon.de
Quellen:
- „Apps auf Rezept“: DiGA-Verzeichnis des BfArM ist online: AOK Gesundheitspartner (abgerufen am 06.10.2021)
- Digitale-Versorgung-Gesetz DVG (Stand 11.2019, abgerufen am 06.10.2021)
- Kalmeda - die mobile Tinnitus-Therapie auf Rezept (abgerufen am 06.10.2021)
- HealthOn DiGA Dashboard (Stand 06.10.2021)
- DiGA-Verzeichnis BfArM (Stand 06.10.2021)
- Kassenkritik an DiGA: Zentrale Anforderung ist medizinischer Nutzen. Ärzte Zeitung. (Stand 15.01.2021, abgerufen am 06.10.2021)
- KV-App-Radar (zi.de) (abgerufen am 06.10.2021)
- Grundlage der vom ZI (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland) errechneten Patientenzahl für DiGAs: FAQ des Portals kvappradar (abgerufen am 06.10.2021)
- DiGA – noch längst keine Überflieger (aerztezeitung.de) (abgerufen am 08.10.2021)
- Praxis-Info 07/2021 Digitale Gesundheitsanwendungen Digitale Gesundheitsanwendungen (kbv.de) (abgerufen am 06.10.2021)
- HealthOn Markstudie Medizin-Apps CE 06/2021
- SBK-Digitalisierungsticker. 10/2021 (abgerufen am 06.10.2021)
- Rahmenvereinbarung zu den Vergütungsbeträgen der DiGA vorgelegt (aerzteblatt.de) (abgerufen am 06.10.2021)
- Veröffentlicht in Digitalisierung, E-Health, Mobile
Mit langem Atem zur besseren Versorgung
Oder – wie setzt man eine neues Früherkennungsscreening für Lungenerkrankungen auf?
Shaping Healthcare: Kreative Ideen, die richtigen Experten, die Nutzung technischer Innovation — das sind Hebel für den Wandel von einer kurativen zu einer präventionsorientierten Medizin, wie das Hanse-Projekt der Lung Ambition Alliance sehr schön zeigt.
Früherkennung kann Leben retten
Alle 18 Sekunden stirbt irgendwo auf der Welt ein Patient an Lungenkrebs — Lungenkarzinome sind die häufigstekrebsbedingte Todesursache (1). Die 5-Jahres Überlebensrate dieser Patienten zu verdoppeln, ist das Ziel der Lung Ambition Alliance, einer internationalen Allianz aus Wissenschaft und Industrie (2). Neben individualisierten Therapien und verbesserten Versorgungsstrukturen geht es darum, Hochrisiko-Personen früher zu erkennen. Studien in den USA und in Europa haben gezeigt, dass sich die Mortalitätsraten durch Früherkennung signifikant senken lassen (3). Das Lungenkrebsscreening mittels Niedrigdosis-Computertomographie könnte deshalb ab 2023 auch in Deutschland eine neue Option im Leistungskatalog der GKV werden (4).
Kollaboration der richtigen Experten
Aber wie könnte ein flächendeckendes Screening in Deutschland implementiert werden? Diese Frage stellte sich AstraZeneca , eine der Partnerfirmen in der Lung Ambition Alliance. Gemeinsam mit der LungenClinic Großhansdorf bei Hamburg, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck und der Medizinischen Hochschule in Hannover wurden verschiedene Optionen zunächst im Rahmen eines 2-tägigen kollaborativen Workshops erarbeitet. Für die vorbereitenden Recherchen sowie zur Konzeption und Moderation dieses regionalen Pilotprojekts wurden Berater aus dem Netzwerk der Healthcare Shapers ins Boot geholt.
Größtes Programm zur Früherkennung von Lungen- und Herzkreislauferkrankungen
Heute, nach 2-jähriger intensiver Zusammenarbeit von Experten, die vom Bedarf überzeugt sind und die Eckpfeiler des neuen Screenings gemeinsam entwickelt haben, ist es soweit: Die Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit vorgestellt. In Partnerschaft zwischen dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) und der Lung Ambition Alliance und unter der Schirmherrschaft von Dr. Eckart von Hirschhausen startet jetzt mit der HANSE-Studie (5) das bisher größte deutsche Programm zur Früherkennung von Lungen- und Herzkreislauferkrankungen. Dazu werden etwa 350.000 Personen im Alter von 55-79 Jahren im Großraum der Städte Hannover, Hamburg und Lübeck angeschrieben oder durch niedergelassene Haus- und Fachärzte angesprochen, um insgesamt 12.100 Probanden zu gewinnen (6). Zudem können sich Interessenten auch online unter www.Hanse-Lungencheck.de anmelden. Bis zu 5.000 Frauen und Männer, die als Raucher und Ex-Raucher ein erhöhtes Risiko für Lungentumoren aufweisen, sollen eine kostenlose Untersuchung mit einem modernen Niedrigdosis-CT erhalten. Dieses CT ist Teil ein eines vollausgerüsteten mobilen Studien-Trucks, der zwischen den Standorten Hannover, Lübeck und Großhansdorf pendelt und vor Ort die Probanden untersucht.
Vernetzung, Daten und KI befeuern Wissenschaft und Versorgung
Das Projekt ist so konzipiert, dass alle drei Standorte gemeinsam Daten sammeln und nutzen. Sobald sich ein Proband zur Teilnahme registriert, startet der Prozess mit der persönlichen Risikobewertung, sie ermittelt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten Jahren an Lungenkrebs zu erkranken. Nur Teilnehmende mit besonders hohem Risiko werden zu einer Untersuchung im mobilen Studientruck eingeladen, der Wohnort entscheidet, welches der drei Studienzentren die Untersuchung durchführt. Die Probanden erhalten mit dem schonenden, bildgebenden Verfahren detaillierte Informationen bezüglich einer eventuell vorliegenden Lungenerkrankung und können anschließend medizinisch versorgt werden. Auch Informationen über Herzkreislauferkrankungen (Arteriosklerose) der Studienteilnehmer können aus den Untersuchungen abgeleitet werden. Alle Untersuchungsergebnisse werden von einem interdisziplinären Team aus erfahrenen Lungenfachärzten und Radiologen mit KI-unterstützter Technik ausgewertet. Das Untersuchungsergebnis wird den Teilnehmenden sowie dem jeweiligen Hausarzt übermittelt – wenn der Patient dies erlaubt.
Shaping Healthcare
Prof. Dr. med. Jens Vogel-Claussen, wissenschaftlicher Leiter der Studie erklärt: „Ich bin allen Mitwirkenden, der Lung Ambition Alliance und dem DZL sehr dankbar für diese wichtige Initiative. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung im Bereich der Lungenforschung liegt mir die Lungenkrebsvorsorge besonders am Herzen.“ Er betont dabei: „Lungenkrebs verursacht im frühen Stadium oft keine Beschwerden, weshalb mehr als die Hälfte aller Lungenkrebspatienten erst in einem metastasierten Stadium diagnostiziert werden.“
Eine frühzeitige Erkennung der Tumorerkrankung mittels moderner Niedrigdosis-Computertomographie verbessert die Heilungsaussichten und kann Leben retten. Die Healthcare Shapers freuen sich, dieses innovative Projekt mit ihrer Expertise unterstützt zu haben. „Die vernetzte Zusammenarbeit über Einrichtungs- und Sektorengrenzen hinweg, die effiziente Auswertung von Daten unter Nutzung neuer, technischer Möglichkeiten, die die moderne Bildgebung und die Auswertung der Bilddaten mittels Algorithmen liefert, all das zeigt, wie Digitalisierung Nutzen schaffen kann. Wir dürfen die berechtigte Hoffnung haben, dass wir perspektivisch besser verstehen, was uns krank macht und was uns gesund erhält. Mit diesen neu gewonnen Daten verändern wir unser Gesundheitssystem immer stärker von einem kurativen zu einem präventionsorientierten, integrierten Versorgungssystem,“, ist Günther Illert, der Gründer der Healthcare Shapers überzeugt.
Was die Berater im Netzwerk der Healthcare Shapers eint, ist die Überzeugung, dass auf Dauer die Gesundheitssysteme nur funktionieren, wenn der Patient mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt gerückt wird. An der dazu notwendigen, branchenweiten Veränderung wollen sie mit ihrer geballten Kompetenz und Energie mitwirken.
Quellen:
- https://gco.iarc.fr/today/data/factsheets/cancers/39-All-cancers-fact-sheet.pdf
- https://www.lungambitionalliance.com
- Die Nelson-Studie mit mehr als 15.000 Teilnehmer in Europa hat gezeigt, dass die 10-Jahres-Mortalität bei männlichen Rauchern mit >30 Packungsjahren durch Behandlung in früherem Stadium um 26% bzw. bei Frauen mit hohem Risiko um 61% gesenkt werden konnte. Ähnlich die NLST-Studie (>53.000 Teilnehmer) in den USA
- Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung (IQWiG) mit der Nutzenbewertung des Lungenkrebsscreenings mittels Niedrigdosis-Computertomographie (LDCT) beauftragt. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) führt ebenso eine „ausführliche Bewertung“ des Verfahrens durch.
- https://www.hanse-lungencheck.de
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Innovative Versorgung
Mit einem Klick zum Transparenzreport
Häufig müssen Pharmaunternehmen jährlich tausende länderübergreifende Buchungen für ihre Transparenzreports zusammenstellen und veröffentlichen. Dieses Datensammeln aus vielen verschiedenen Quellen ist oft mühsam und zeitaufwändig. Wie das dank Digitalisierung viel einfacher geht, und warum Kunden diese neue Lösung schätzen, zeigt Dr. Angela Schremmer, die Healthcare-Compliance-Spezialistin und Partnerin im Netzwerk der Healthcare Shapers (1) am Beispiel eines ihrer Pharmakunden.
Compliance- & Vertrags-Management kombiniert
Die Firma Lundbeck, ein global tätiges Pharmaunternehmen mit über 5.000 Mitarbeitern und einen Umsatz von ca. 2 Mrd. Euro nutzt crossfunktional bereits das Vertragsmanagement-Tool Spider Contract te. Jetzt hat das Unternehmen auch eine Compliance-Management-Lösung mit intelligentem Matrix-Berechtigungskonzeptes speziell für die D-A-CH-Region integriert. Das spart viel Zeit und Geld. Die jährlichen Transparenzreports, in denen die geldwerten Leistungen an Ärzte, andere Angehörige der Fachkreise sowie medizinische Organisationen und Einrichtungen offengelegt werden, lassen sich jetzt in der D-A-CH-Region pro Land auf Knopfdruck ausgeben. Länder und Geschäftseinheiten können getrennt ausgewertet werden, ein komplexes Rollen- und Rechtesystem macht dies möglich und entlastet das Unternehmen erheblich:
- Zwei compliance-relevante Geschäftsprozesse werden nun mit einem System bearbeitet.
- Auch im länderübergreifenden Datenmanagement sind nun schnelle Freigabeprozesse möglich.
- Berechtigte haben jederzeit Zugriff auf die zentral gespeicherten Daten und Dokumente.
- Datenänderungen werden in einem unveränderbaren Logfile revisionssicher dokumentiert.
- Daten lassen sich als Excel-Tabelle für den Transparenzreport exportieren und so auch einfach für die Erstellung von Serienbriefen an die Ärzte bzw. andere medizinische Fachkreise nutzen.
Das bei Lundbeck eingeführte, digitalisierte Compliance-Management unterstützt das Dokumentations- und das Transparenzprinzip. Die bestehende Softwarelösung Spider Contract für professionelles Vertragsmanagement wurde mit einem Compliance-Modul der tract GmbH erweitert. Andere, interessante Erweiterungsmodule können das Management von Workflows, digitaler Signatur, Finanzplanung und Ergonomie unterstützen (2,3). Eine detaillierte Darstellung zur Einführung der Softwarelösung beim Kunden Lundbeck liefert der Case-Report (4).
Digitaler Transparenzreport – Deutliche Alltagserleichterung für Pharmakunden
„Die Zusammenarbeit mit tract ist professionell, menschlich und locker. Unsere Ideen und Vorgaben werden schnell und im Budget in smarte Lösungen umgesetzt.“
Markus Subei, Head of Business Intelligence and Sales Administration, Lundbeck GmbH
„Wir bekommen sehr positives Anwender-Feedback zum klaren Bedienkonzept des Tools, neue Anwender können leicht von uns trainiert werden“
Melanie Krug, Assistant BISA and Compliance Business Intelligence, Lundbeck GmbH
Die Autorin Dr. Angela Schremmer ist Partnerin im Netzwerk der Healthcare Shapers und berät Unternehmen in der Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Compliance-Management-Lösungen, die sie auf die spezifischen Anforderungen ihrer Kunden anpasst, von global agierenden Life Science-Unternehmen bis zu KMUs der Pharma- und MedTech-Branche.
Quellen:
- Veröffentlicht in Digitalisierung
Human Factor – blinder Fleck in Sachen „Digitale Gesundheit“?
Ein gelungener Jahresauftakt: Pflegebedürftige können Apps auf Kosten der Kassen nutzen. Das elektronische Rezept wird künftig mit einer Online-App in der Apotheke eingelöst. Arbeitsunfähigs-keitsbescheinigungen können elektronisch ausgestellt und an den Arbeitsgeber übermittelt werden. Nicht zuletzt: Die seit mehr als 10 Jahre entwickelte elektronische Patientenakte (ePA) startete im Januar mit einer ersten Live-Version. Die elektronische Patientenakte enthält Arztbriefe, Laborergebnisse, zukünftig auch OP-Berichte und Medikamentenpläne. Ärzte, Krankenhäuser und Patienten sollen vom digitalen Austausch profitieren. Sollen oder können? Wenn sie denn können.
„Digitale Gesundheitsanwendungen haben grundsätzlich ein großes Potential“ [1]
Doch ohne Zugangsmöglichkeiten, Bereitschaft und Kompetenz der Anwender, diese individuell und zielgerichtet zu nutzen, werden sie ihre Wirkung nicht entfalten können. Und diese Hürde betrifft alle – Ärzte, Therapeuten, Personal von Laboren, Krankenversicherungen gleichermaßen wie Patienten und Versicherte.
„Wenn die Digitalisierung die medizinische Versorgung verbessern soll, brauchen wir eine soziale Innovation.“ [2]
Bereits vor anderthalb Jahren stellte die Techniker Krankenkasse in den Ergebnissen ihrer Studie „TK-DiSK: Digital. Selbstbestimmt. Kompetent“ fest, dass neben den technologischen Voraussetzungen (Fähigkeiten, Zugang, ökonomische Möglichkeiten)der „Digitalen Gesundheitskompetenz“ (Digital Health Literacy) zwar ein hoher Stellenwert zugeschrieben wird, andererseits es kaum eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Thema gibt. Ein Blick auf die eher geringe Nutzung der Corona-Warn App oder auf die noch wenigen vorhandenen Video-Sprechstunden, zeigt, dass sich seither wenig geändert zu haben scheint. Ein blinder Fleck?
In Sachen Gesundheit haben wir über Jahrzehnte gelernt, das Expertentum zu fördern und die (eigene oder organisationale) Verantwortung abzugeben.
Um den Nutzen der Digitalisierung auszuschöpfen, ist es elementar, dass Patienten und Anwender die Verantwortung wieder zurücknehmen, neu lernen und bereit sind, damit umzugehen. Damit digitale Angebote wie die ePA einen Nutzen für den Einzelnen, die Organisationen und die Gesellschaft bringen, bedarf es einer Transformation von passiven zu aktiven, eigenverantwortlichen Akteuren.
Dabei geht es im ersten Schritt um den Erwerb von Fähigkeiten, die den Prozess der Übernahme der Eigenverantwortung fördern (Empowerment), wie z.B. [3]
- Gesundheitskompetenz: Die Fähigkeit, auf die für sie passende Gesundheitsinformationen zuzugreifen, diese zu analysieren und zu verstehen, um die richtigen Entscheidungen für ihre Gesundheit zu treffen.
- Beteiligung/Teilnahme: die Fähigkeit, Entscheidungen gemeinsam mit dem medizinischen Personal zu treffen und aktive Partner bei der Auswahl von medizinischen Optionen und bevorzugten Verläufen der klinischen Versorgung zu sein.
- Überblick/Kontrolle: Die Fähigkeit, den Überblick über ihr Gesundheitsmanagement zu haben, um ihre Abhängigkeit von Ärzten zu reduzieren und eine bessere Lebensqualität zu erlangen.
- Kommunikation: Die Fähigkeit, effektiv und effizient mit medizinischem Fachpersonal zu kommunizieren. Dies ist ein wechselseitiger Prozess, bei dem z.B. Patienten in der Lage sind, detaillierte Erklärungen zu ihren Symptomen abzugeben, Überlegungen und Präferenzen äußern; das Gegenüber muss ebenso in der Lage sein, dialoghaft zu kommunizieren und auf das Gehörte einzugehen.
- Digitale Kompetenz: Die Fähigkeit, Wissen durch Information und Kommunikation über digitale Medien zu erwerben und zu teilen. Der Zugang zu Wissensressourcen mit Hilfe digitaler Medien, die Integration und das Management des Wissens sowie die Evaluation sind dabei zu berücksichtigen.
Im nächsten Schritt geht es um die Bildung der “Digitalen Gesundheitskompetenz”.
Sie ist weitaus mehr ist als die Summe der o.g. Gesundheitskompetenz und der Digitale Kompetenz. Es geht um den bewussten und selbstbestimmten Umgang mit digitalen Gesundheitsangeboten. Dazu zählen e-Health Apps, Online-Informationen bis hin zum Management der eigenen Gesundheitsdaten. [4]
Erst darauf aufbauend wird ein Wertschöpfungsprozess der investierten Ressourcen möglich sein.
Dann, wenn die Anwender nicht nur die Verantwortung, z.B. für das Management ihrer eigenen Daten übernehmen, sondern auch bereit sind, durch Interaktion, in einem iterativen Prozess mit dem Anbieter/ dem Angebot (Shared Value/ Value Co-Creation), den jeweils für sie größten individuellen Nutzen, den die digitalen Gesundheitsangeboten bieten, auszuloten [5]. Für den Erfolg eines digitalen Gesundheitstools bedarf es zusätzlich
- Partizipationsverhalten: Verhalten während der Tool-Nutzung, wie die Nutzung der Interaktionen, die aktive Suche nach Informationen, das Gestalten des Informationsaustausches, ebenso wie ein verantwortungsbewusstes Handeln und positive Einstellung während der Interaktionen.
- Gemeinwohl-Verhalten: Verhalten über die Anwenderrolle hinaus, die einen Wert für die Organisation und die Gesellschaft darstellen, wie das Geben von Feedback, die Unterstützung anderer Nutzer, Toleranz gegenüber Servicefehlern, Bereitstellung von ausgewählten Daten für Forschungszwecken.

©Eigene Darstellung (in Anlehnung an Forschungsmodell von Russo et. al, Sustainability 2019, 11, 1315)
Es ist es dringend an der Zeit, nun auch den bisher ausgeblendeten „Human Factor“ strukturiert und gezielt mit umfangreichen Investitionen zu stärken.
In den Wechselwirkungen von steigendem Empowerment, einer wachsenden Digitalen Gesundheitskompetenz und eines bewusst gestalteten Shared Value Prozesses kann eine nachhaltige Wertschöpfung der digitalen Anwendungen für die individuelle Gesundheit und des Gesundheitssystems als Ganzes erreicht werden.
Wie das gelingen kann?
Damit beschäftigt sich Dr. Andrea Jahnen, Partnerin im Netzwerk der Healthcare Shapers. Sie ist spezialisiert auf Sustainable Healthcare und berät als Expertin für Nachhaltigkeit in der Gesundheitswirtschaft Unternehmen und Verbände.
Quellen
- Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der Krankenkassen, in: Die Pflege soll digitaler werden, FAZ, 21.01.21
- Samerski S, Müller H (2019): Digitale Gesundheitskompetenz in Deutschland – gefordert, aber nicht gefördert? Ergebnisse der empirischen Studie TK-DiSK. ZEFQ 149
- Hinweis: die hier genannten Begriffe beziehen sich auf qualitative Fähigkeiten, die komplexer sind als in diesem Rahmen beschrieben werden kann, zudem sind die Fähigkeiten in ihrer Ausprägung quantitativ kaum messbar.
- Vgl. auch: https://www.tk.de/presse/themen/digitale-gesundheit/e-health-position/digitale-gesundheitskompetenz-2058842
- Vgl. auch Giuseppe Russo, Andrea Moretta Tartaglione and Ylenia Cavacece, Empowering Patients to Co-Create a Sustainable Healthcare Value, Sustainability 2019, 11, 1315; doi:10.3390/su11051315; www.mdpi.com/journal/sustainability diese ReviewStudie hat aufgezeigt, dass es über ein Empowerment von Patienten möglich ist, diese aktiv in den Wertschöpfungsprozess einzubinden
- z.B. https://www.bioconvalley.org/projekte/abgeschlossene-projekte/ic-health
- Veröffentlicht in Digitalisierung, E-Health
Home-Office für alle: Viel Arbeit für Compliance-Manager!
In dieser besonderen Zeit stehen Healthcare-Compliance-Manager besonders im Fokus: Die Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden und Dienstleistern, die weit verstreut in ihren Home-Offices arbeiten, verläuft fast ausschließlich über digitale Kanäle. Projektteams nutzen neue Kollaborationsformen, treffen sich in virtuellen Meetingräumen, arbeiten in Clouds gemeinsam an Dokumenten. Und in diesem gewaltigen Umbruch der Arbeitsbedingungen sind Gesetze und Compliance-Richtlinien der Unternehmen einzuhalten, was Compliance-Manager besonders fordert. Gefragt sind kreative, flexible und ganz pragmatische Lösungen. Wie das erfolgreich gelingen kann? Hier einige Impulse für Compliance Manager in Med-Tech und Pharmaunternehmen.
8 Tipps für Compliance-Manager in Corona-Zeiten
Evaluieren Sie Compliance-Risiken, die sich aktuell aus der besonderen Situation ableiten und organisieren Sie sich dazu digital!
Gründen Sie in Abstimmung mit dem Management eine spezielle Task Force, die potenzielle Compliance-Risiken identifiziert, bewertet und wirksame Maßnahmen plant.
Vermitteln Sie Mitarbeitern im Unternehmen Sicherheit durch aktuelles, an die veränderte Situation angepasstes Compliance-Wissen.
Informieren Sie über Änderungen in Abläufen und Freigabeprozessen. Sensibilisieren Sie Führungskräfte für die besonderen Compliance-Herausforderungen beim Arbeiten in virtuellen Teams.
Stellen Sie sicher, dass die Compliance-Prozesse auch jetzt funktionieren.
Prüfen Sie die Durchgängigkeit der Compliance-Prozesse (z.B. Freigaben) und passen Sie diese bei Bedarf an. Vermeiden Sie Medienbrüche.
Nutzen Sie als Compliance-Manager dieselben Tools für die virtuelle Zusammenarbeit, wie alle Mitarbeiter.
Stellen Sie sicher, dass alle Mitarbeiter auch remote Zugriff auf alle relevanten Informationen haben und diese auf gemeinsamen Plattformen zugänglich sind.
Bleiben Sie – trotz Social Distancing – in persönlichem Kontakt zu den Mitarbeitern.
Stellen Sie sich regelmäßig den Fragen, die jetzt für Mitarbeiter besonders zum Tragen kommen und nutzen Sie, neben den klassischen Kanälen (Telefon, E-Mail) die genehmigten Tools zur virtuellen Kollaboration.
Klären Sie über den Schutz von Firmendaten und personenbezogenen Daten auf.
Weisen Sie explizit auf die ausschließliche Nutzung der Firmen-Technik und -Software gemäß der Firmen-Richtlinien hin und sensibilisieren Sie die Mitarbeiter für die besondere Sicherung der mobilen Endgeräte und Passwörter.
Sensibilisieren Sie die Mitarbeiter für aktuelle Risiken bei der Zusammenarbeit mit Ärzten, Patienten-Organisationen und Dienstleistern.
Stellen Sie sicher, dass auch für remote und Online-Dienstleistungen immer ein von beiden Seiten unterschriebener Vertrag vorliegt und aktualisieren Sie die Geschäftspartnerbewertung (Due Diligence).
Treiben Sie jetzt die Digitalisierung auch in den Compliance-Prozessen zügig weiter voran.Etablieren Sie digitale Geschäftsprozesse ohne Medienbrüche.
Automatisieren Sie z. B. die Erstellung des jährlichen FSA-Transparenzreports oder digitalisieren Sie das Vertragsmanagements von der Vertragserstellung bis zur elektronischen Signatur.
Fazit: In jeder Krise liegt bekanntlich eine Chance.
Die aktuelle Pandemie wird nicht nur die Digitalisierung des Compliance-Managements vorantreiben. In diesen Zeiten der Unsicherheit und der starken Veränderung der Arbeitsbedingungen werden Compliance-Prozesse noch wichtiger. Sie können zu einem Anker werden, der Mitarbeitern den notwendigen, orientierenden Rahmen geben kann.
Die Autorin Dr. Angela Schremmer ist Partnerin im Netzwerk der Healthcare Shapers und berät Unternehmen in der Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Compliance-Management-Lösungen.
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Führung
Datenschutz in Gesundheits-Apps: Hersteller & Nutzer in der Verantwortung!
Das Thema Datenschutz und Datensicherheit ist für die Akzeptanz digitaler Innovationen sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten und Krankenkassen sehr wichtig. Im Digitale Versorgung-Gesetz (DVG), das u. a. digitalen Gesundheitsanwendungen den Weg freimachen will in die Regelversorgung, spiegelt sich das auch in der Gewichtung des Fragenkatalogs, den Anbieter von digitalen Gesundheitsanwendung für die vorläufige Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis beantworten müssen: 95 von 133 Fragen betreffen die Themen Datenschutz und Datensicherheit (1). Ende Mai sollen die ersten Anträge auf Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM gestellt werden können. Aus diesem Anlass: Drei Fragen von Dr. Ursula Kramer an die Datenschutzexpertin Natalya Spuling. Beide sind Partnerinnen im Netzwerk der Healthcare Shapers.
Apps, die im DiGA-Verzeichnis gelistet werden, sind „wasserdicht“ was den Datenschutz anbelangt? Kann man das so sagen?
Das ist sicher eine Intention, die das BfArM bei der Ausgestaltung der Rechtsverordnung zum Digitale Versorgung-Gesetz verfolgt hat: Denn die Regeln für Anbieter einer Gesundheits-App (DiGA), die auf Rezept verordnet werden kann, sind streng.
Hohe Auflagen für DiGA-Anbieter: Lässt sich das an Beispielen konkretisieren?
Wenn App-Anbieter Daten einholen, brauchen sie gem. § 4 DiGaV in jedem Fall eine Einwilligung des Versicherten für die Verarbeitung der Gesundheitsdaten gem. Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO. Diese Einwilligung ist streng zweckgebunden, Es gibt überhaupt nur drei Zwecke, warum der Hersteller mit einer DiGA Gesundheitsdaten verarbeiten darf.
- Um den in der Zweckbestimmung der digitalen Gesundheitsanwendung definierten bestimmungsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen. DiGAs sind allesamt Medizinprodukte mit einer Zweckbestimmung, die sich auf die Diagnose oder Therapie von Erkrankungen bezieht. Beispiel: Ein Patiententagebuch für Diabetiker darf Daten erfassen, um den Verlauf z. B. von Blutzuckerwerten anzeigen und auswerten zu können.
- Um mit diesen Daten den Nachweis sog. positiver Versorgungseffekte zu erbringen, d. h. zu zeigen, dass der Einsatz der App mit einem Nutzen für den Patienten verbunden ist. Das geschieht im Rahmen der Erprobungsphase nach § 139e Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch nach der vorläufigen Listung ins DiGA-Verzeichnis.
- Um für Vereinbarungen mit Kostenträgern nach § 134 Absatz 1 Satz 3 SGB V die erforderlichen Nachweise zu erbringen, z. B. zu zeigen, dass die App, die auf Kosten der Krankenkassen vom Arzt verordnet worden ist, auch nachhaltig genutzt wird
Das Tracking der Nutzungsdaten ist bei Apps weit verbreitet. Wie ist das bei DiGAs?
Will der DiGA-Anbieter dauerhaft Daten zur Nutzung der App auswerten, um z. B. deren technische Funktionsfähigkeit sicherzustellen, die Nutzerfreundlichkeit einzuschätzen und damit seine digitale Gesundheitsanwendung weiterzuentwickeln – braucht er dazu nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 DiGaV eine zusätzliche Einwilligung des Nutzers. Diese Einwilligung der Nutzer muss den Anforderungen der DSGVO (Art. 6 Abs. 1 lit a, Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO) genügen. Mein Tipp: Am besten baut der DiGa-Anbieter entsprechende Einwilligungstexte in die App ein und lässt die Nutzer z.B. durch Aktivierung einer Check-Box einwilligen. Wichtig ist, dass die jeweilige Einwilligung zu Nachweiszwecken datenschutzkonform dokumentiert ist.
Wenn man an die Nutzer denkt: Können diese einer DiGA in Sachen Datenschutz blind vertrauen?
DiGAs sind regulierte Medizinprodukte und unterliegen damit einer gewissen behördlichen Kontrolle, was nicht heißt, dass die Einhaltung der Datenschutzanforderungen bei jeder DiGA aktiv geprüft wird, der Anbieter muss allerdings die Einhaltung der Datenschutzanforderungen versichern. Das entbindet den Patienten jedoch nicht seiner Verantwortung: Grundsätzlich sollte sich jeder Nutzer den Einwilligungstext sowie die Datenschutzhinweise / Datenschutzerklärung des Anbieters durchlesen. Vor der Eingabe der eigenen Gesundheitsdaten ist es wichtig, zu verstehen, wohin und an wen welche Daten fließen, d. h. zu wissen, ob die eigenen Daten z. B. in ein Drittland übermittelt werden. Wer das nicht will, sucht sich besser eine andere App von einem anderen Anbieter.
Natalya, Danke für das Gespräch!
Natalya Spuling, Expertin für Datenschutz im Gesundheitswesen, und Dr. Ursula Kramer, DiGA-Expertin und Betreiberin der Qualitätsplattform für GesundheitsApps HealthOn, sind Partnerinnen im Netzwerk der Healthcare Shapers. Sie teilen ihr Wissen regelmäßig bei Vorträgen und Webinaren für Leistungserbringer, Krankenkassen und Anbieter digitaler Medizinprodukte.
Anlass für dieses Interview ist das Webinar am 27.05.2020, bei dem Natalya Spuling das Thema Datenschutz in Gesundheits-Apps beleuchtet. https://www.pridatect.de/webinar/gesundheits-apps-datenschutz/
Quellen: Rechtsverordnung DiGAV 20.04.2020
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Unkategorisiert
Virtuelle Konferenzen – wie geht das? Ein Erfahrungsbericht
Ja Herrschaftszeiten, sogar das Münchner Oktoberfest mit über 6 Millionen erwarteten Besuchern wurde aufgrund des Coronavirus abgesagt! Online-Konferenzen und virtuelle Events hingegen schießen wie Pilze aus dem Boden. Was bedeutet das und worauf muss man als Veranstalter achten?
Veranstalter wagen neue Wege von der Präsenz- zur Online-Veranstaltung. Manches läuft dabei anfangs holprig, doch die Lernkurven sind steil, wenn man sich erst einmal darauf einlässt, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Blitzstart – in zwei Wochen zur virtuellen Großveranstaltung
Paul Simms, Chairman & CEO bei eyeforpharma berichtet mir am Telefon, dass die Entscheidung, die für Ende März geplante 2-tägige Konferenz in Barcelona mit über 2.000 erwarteten Besuchern als virtuelles Event durchzuführen, erst zwei Wochen vorher gefallen sei. Nachdem die Pharmafirmen Reiseverbote erlassen hatten, trudelten über einen Zeitraum von rund 6 Wochen reihenweise Absagen von Teilnehmern ein. Die Stimmung beim Veranstalter war zunehmend getrübt. Doch mit der Entscheidung zur Video-Übertragung sei ein echter Ruck durch das knapp 10-köpfige Veranstaltungsteam gegangen. Tag und Nacht habe man gearbeitet, um das virtuelle Event zu stemmen.
Alle Referenten und viele Sponsoren haben mitgezogen. Hotels und Flüge wurden storniert und die Referenten mussten mit den neuen Rahmenbedingungen vertraut gemacht werden. Da die Tickets erstattet wurden bzw. kostenlos waren, konnte der Kreis der Anmeldungen schnell auf 15.000 ausgeweitet werden. Aus der ursprünglich 2-tägigen Konferenz mit 7 parallelen Tracks wurde eine 5-tägige Videoübertragung mit vielen Live-Präsentationen, Paneldiskussionen und Interviews. Als Plattform wählte man ZOOM und die teilweise vorher aufgezeichneten Präsentationen und Interviews wurden über VIMEO gestreamt. Die einzelnen Sessions hatten im Schnitt 1.000 Zuhörer, berichtet Paul Simms.
Von 150 bis 15.000 Teilnehmern – es funktioniert!
Aber Online-Konferenzen müssen nicht gleich diese Größenordnung erreichen und die typische Planungszeit liegt eher bei 6 Wochen. Ich war als Moderator für die 7. MedTech Rheinland-Pfalz am 12. Mai gebucht. Zu dieser Konferenz wurden rund 150 Teilnehmer und über 20 Aussteller in Mainz erwartet. Ende März informierte mich das Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz, dass auch diese Veranstaltung abgesagt werden solle. Auf meinen Vorschlag, doch zumindest einige der Inhalte online zu übertragen, reagierten Marlen Peseke und Daniela Arnold im Wirtschaftsministerium neugierig. Denn das Thema Künstliche Intelligenz und Robotik in der Medizintechnik sowie ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz sind geradezu prädestiniert für innovative Online-Formate.
Wir haben uns mit Michael Alf, einem Organisator virtueller Events im Video-Chat getroffen, um die technischen Voraussetzungen zu verstehen. Als er 2015 noch in Australien lebte, hat er begonnen, virtuelle Events zu organisieren und kennt sich mit den unterschiedlichen Möglichkeiten und Plattformen gut aus. In bilateralen Abstimmungen per Mail und Telefon und wöchentlichen Video-Jour Fixes bereiten wir nun die Veranstaltung am 12. Mai vor.
Die MedTech Rheinland-Pfalz wird auf Hopin gehostet. Diese Plattform bildet eine Tagung und Messe in einer virtuellen Welt ab. Nachdem sich die Teilnehmer registrieren, gelangen sie am 12. Mai ab 12:30 Uhr in den virtuellen Empfangsbereich. Sie können über 20 verschiedene Messestände besuchen und im Videochat mit den Ausstellern ins Gespräch kommen und sich über deren Angebote informieren. Oder sie begeben sich zum Networking, um für wenige Minuten mit einem anderen, zufällig ausgewählten Teilnehmer zu plaudern — genau wie bei einem Kaffee am Messeempfang — nur eben im privaten Videoraum.
Networking & Messebesuch – das geht auch virtuell
Die Vorträge starten um 13 Uhr mit der Begrüßung durch den Wirtschaftsminister und einer Key Note von Bart de Witte, anschließend folgt eine Podiumsdiskussion mit vier Experten. Nach einer virtuellen Kaffeepause, die wieder zum Ausstellungsbesuch und zum Networking Gelegenheit gibt, können sich die Teilnehmer ab 15 Uhr in einen der drei parallel stattfindenden, einstündigen Break-outs begeben, wo Themen vertieft diskutiert werden. Danach gibt es wieder eine Pause und die Break-outs finden nochmals statt. Jeder Teilnehmer kann also zwei von drei Sessions besuchen. Dabei können Zuhörer über den Chat Fragen stellen oder sich selbst zu Wort melden — der Moderator öffnet dann das Mikrofon für den Fragenden.
Die Vorbereitung – Was ist anders?
Die Vorbereitungen sind ähnlich intensiv wie bei analogen Veranstaltungen, aber sie beinhalten unterschiedliche Facetten. Neben allen inhaltlichen Programmfragen, die vergleichbar sind wie bei einer physischen Konferenz, geht es bei virtuellen Formaten nicht um Raumgröße, Bestuhlung oder Catering, sondern um Aspekte wie etwa dem besten Webbrowser oder Pixelgrößen für die virtuellen Messestände. Derartige technische Details müssen mit Ausstellern und Referenten vorab geklärt werden. Hierzu gibt es ausführliche Briefings durch Michael Alf und sein Team.
Virtuelle Meetings – da geht noch mehr…
Alf beobachtet, wie ständig neue Online-Formate auf den Markt dringen. Er sieht eine Zukunft in spielerischen Anwendungen, bei denen Teilnehmer mit Avataren und VR-Brillen in eine virtuelle Welt teleportiert werden. Doch in der Life Sciences- und Gesundheitsbranche, die nach wie vor sehr traditionell agiert, muss man gar nicht so weit wie mit Avataren gehen. Warum nicht einfach auch mal ein Advisory Board als Online-Treffen per Video-Konferenz gestalten.
Virtuelle Kongresse – einfach anfangen & Erfahrungen sammeln…
Aus meiner Sicht ermöglichen virtuelle Zusammenkünfte ebenso wie physische Treffen die Wissensvermittlung und den Austausch unter Experten. Was wäre, wenn die gerade bei den Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie erlebte Welle globaler Solidarität nicht eine einmalige Sache bliebe. Was wäre, wenn Experten aus aller Welt in Zukunft in virtuellen Formaten Gedanken austauschen und gemeinsam Lösungen entwickeln? Wenn globale Crowd-Intelligence wirklich greifbar würde? Im Netzwerk der Healthcare Shapers praktizieren wir das bereits mit unseren rund 100 Partnern, nicht erst seit wir in 2019 unser Chapter in den USA gegründet haben. Durch Experimentieren entstehen neue Ideen und Innovation. Gerade deshalb sollte jetzt aus meiner Sicht beherzt virtualisiert statt abgesagt werden. Gerne unterstütze ich dabei.
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Networking
Durchblick in Sachen App auf Rezept?
Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und die vor kurzem verabschiedete Rechtsverordnung (1) macht den Weg frei für Digitale Gesundheitsanwendungen auf Rezept (DiGA). Die Ausgestaltung der grundsätzlichen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an DiGAs ist mit der Veröffentlichung des BfArM-Leitfadens (2) nun festgelegt. Digitale Innovationen können nun unter Umgehung des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) innerhalb von 12 Monaten in einem verkürzten Verfahren – dem sog. Fast Track – neue Bausteine in der Regelversorgung werden. Beim DiGA Summit des Health-Innovation-Hubs – hih-2025 (3), wurde die Eckpunkte des neuen Gesetzes und des DiGA-Leitfadens vorgestellt. Über 1.500 Teilnehmer haben die Gelegenheit genutzt, ihre Fragen zu stellen. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) haben bereits 200 Hersteller ihr Interesse an einer Antragstellung auf Listung im DiGA-Verzeichnis.
Nach dem DiGA-Summit ist vieles klarer
Was genau ist eine DiGA, denn anders als das diese Abkürzung vielleicht suggerieren mag, ist nicht jede digitale Gesundheitsanwendung per se eine DiGA. Nur ein kleiner Teil dieser Anwendungen erfüllt die formalen Voraussetzungen für eine Listung und für den Zugang zur Regelversorgung im sog. Fast Track Verfahren. Auch welche Selbstangaben vom Hersteller verlangt werden beim ausschließlich digitalen Antragsverfahren zur Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis und wie der Prüfprozess beim BfArM ablaufen soll, liegt nun konkret auf dem Tisch.
Offene Fragen und Unsicherheit bleiben: Wie gelingt der Nutzennachweis?
Etwas mehr Kreativität und Spielraum bei der Interpretation der im Leitfaden definierten Anforderungen verlangt das BfArm den Herstellern beim methodischen Nachweis der positiven Versorgungseffekte ab. Dieser Nachweis ist für eine dauerhafte Listung im DiGA-Verzeichnis erforderlich. Vorab braucht es ein plausibles Evaluationskonzept, das der Hersteller mit dem Antrag einreichen muss. Dann hat er 12 Monate Zeit, um die erforderlichen Daten zu generieren. Für jeden Versorgungseffekt und jede Indikation, die über die Zweckbestimmung der als Medizinprodukt zertifizierten Gesundheitsapp abgedeckt sein muss, ein Studiennachweis! Das klingt nach hoher Komplexität… Und jeder, der sich mit Statistik auskennt, weiß, wie viele Probanden man braucht, um Effekte, insbesondere wenn diese klein sind, überzeugend nachweisen zu können. Bei einer komplexen Intervention, wie einer digitalen Anwendung, spielen außerdem viele Einflussgrößen mit ins Ergebnis: Die Arzt-Patienten-Interaktion, die Vorerfahrung von Patienten mit Apps, die Gesundheitskompetenz. Man darf gespannt sein, wie überzeugend die Datenbasis für die gelisteten DiGAs nach 12 Monaten sein wird.
Die heißen Eisen – beim DiGA-Summit ausgeklammert!
Natürlich ist der schnelle Zugang zu einem Markt mit 73 Mio. Versicherten verlockend, vorausgesetzt, die zu erzielenden Preise stehen in einem guten Verhältnis zu den Kosten und Pflichten, die mit einer Listung im DiGA-Verzeichnis auf die Hersteller zukommen: Hohe Kosten für die Zertifizierung einer digitalen Gesundheitsanwendung als Medizinprodukt, Gebühren für die Beratungen bei BfArM sowie für die Antragstellung, Kosten für die Produktüberwachung und große Dokumentationspflichten nach der Listung. Dazu kommt die Unsicherheit, welche Veränderungen an einer App die erneute Antragstellung zur Folge haben, d. h. wie eng das BfArm das regulatorische Korsett schnüren wird? Orientiert es sich an den Regularien der MDD für „wesentliche Änderungen“? In diesem Punkt hält sich das BfArM noch bedeckt.
Zeitplan: Listung der ersten DiGA im August 2020?
- Der Leitfaden vom BfArm zur Rechtsverordnung kann noch bis 26.04.2020 kommentiert werden.
- Zu ersten Beratungsgespräche beim BfArm können sich Hersteller ab 5. Mai 2020 anmelden.
- Die ersten Anträge auf Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis können Mitte Mai gestellt werden. Ab diesem Zeitpunkt steht das Antragsformular auf der Website beim BfArM bereit, so dass die formalen Voraussetzungen für das digitale Antragsverfahren geschaffen sind.
- 3 Monate hat das BfArM dann maximal Zeit für die Prüfung der Anträge, d. h. die Prüfung der Selbstangaben des Herstellers auf Vollständigkeit sowie für den Plausibilitätscheck zum Nachweis positiver Versorgungseffekte.
- Voraussichtlich im August 2020 wird das DiGA-Verzeichnis dann mit der Listung der erste DiGA an den Start gehen, die dann auch vom Arzt verordnet oder von der Krankenkasse nach Prüfung der Indikationsstellung erstattet werden kann. Vermutlich wird es eine vorläufige Listung sein. Denn nur wenige DiGA-Anwärter werden bereits bei Antragsstellung die klinische Wirksamkeit in überzeugenden Vergleichsstudien nachweisen können (4).
- Wesentliche Änderungen an der gelisteten DiGA müssen beim BfArM angezeigt werden und erfordern u. U. eine erneute Antragstellung, wenn z. B. die Zweckbestimmung des digitalen Medizinprodukts verändert wird. Welche Änderungen vom BfArM als „wesentliche Änderungen“ eingestuft werden, dazu soll es eine orientierende Checkliste für Hersteller geben, die das BfArM spätestens zur Veröffentlichung des DiGA-Verzeichnis bereitstellen will (5).
Fazit:
Der erste Schritt ist getan. Für alle Digital Health Pioniere sind die Rechtsverordnung und der DiGA-Leitfaden große Meilensteine, auf die wir lange hingearbeitet haben. Doch die Nutzung digitaler Tools und die Einbeziehung von den mit DiGAs generierten Daten, ist ein gigantischer Change Prozess, der Rollen, Aufgaben und Anforderungsprofile stark verändern wird. Wenn alle Akteure ihren Gestaltungswillen und ihren Mut zur Veränderung auf ein verbindendes Ziel ausrichten, dann kann etwas Großes gelingen: Die Optimierung der Patientenversorgung mit digitalen Tools als neue Bausteine in der Regelversorgung.
Weitere Infos zum Thema: DiGA-Verzeichnis: Zugang zu 73 Mio. Versicherten und hoher Aufwand für DiGA-Hersteller

Autorin:
Der Weg in die Regelversorgung über das DiGA-Verzeichnis ist eine Option für Hersteller Digitaler Gesundheitsanwendungen. Ob dieser Weg zu einer digitalen Anwendung oder einem Unternehmen passt, welche anderen Optionen es gibt und welche spezifischen Vor- und Nachteile dabei abzuwägen sind, dazu berät Dr. Ursula Kramer, Partnerin im Netzwerk der Healthcare Shapers, CEO sanawork und Digital Health Pionierin der ersten Stunde, Unternehmen der LifeScience und MedTech Branche.
Quellen:
- https://hih-2025.de/wp-content/uploads/2020/04/DiGAV_RefE.pdf
- https://hih-2025.de/wp-content/uploads/2020/04/DiGA-Leitfaden_2020.pdf
- https://hih-2025.de/virtueller-diga-summit-agenda-frageseite-dokumente-livestream/
- Marktstudie CE-zertifizierte Medizin-Apps 7/2019 https://www.healthon.de/marktstudien/2019/07/medizin-apps-ce
- Antwort BfArM am 23.04. auf Frage von HealthOn s. Twitter-Account https://twitter.com/UrsulaKramer12
- Veröffentlicht in Digitalisierung, E-Health