Happy Birthday DiGA! Die Erwartungen vor 5 Jahren waren riesig, das Interesse an diesem weltweit neuartigen Marktzugangsweg für digitale Therapien enorm. Mit dem Startschuss für Apps auf Rezept und der erstmaligen Listung einer solchen App am 07.10.2020 im neu geschaffenen DiGA-Verzeichnis des BfArM, wurden digitale Gesundheitsanwendungen für rund 72 Millionen GKV-Versicherte zu einer Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Im LiveTalk der Healthcare Shapers (1) haben wir die folgenden vier Experten nach ihrem Blick auf die Zukunft der Versorgung mit DiGAs gefragt:
Dr. med. Elif Duygu Cindik-Herbrüggen (2), Psychotherapeutin und ärztliche Leiterin am Neuro-Psychiatrischen Zentrum Riem, Daniel Schilling (3), Vorstand der IKK Südwest, Dr. med. Christoph Twesten (4), ehemaliger CTO des DiGA-Herstellers perfood und David Prinz (5), Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich Digital Health, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden.
Wo stehen DiGAs in 5 Jahren und wie werden digitale Therapien auf Rezept die Patientenversorgung verändern?
Fact-Box: 5 Jahre DiGAs - was wir heute wissen!
DiGAs - zeigen Wirkung
- In klinischen RCT-Studien haben 46 dauerhaft gelistete DiGAs ihren patientenrelevanten Nutzen belegt (6)
- DiGAs zeigen eine große Dominanz bei den sog. F-Diagnosen, mehr als die Hälfte der dauerhaft gelisteten DiGAs adressieren psychische Erkrankungen, Angst-, Schlaf-, Essstörungen und Sucht (7).
- Hersteller, die am Nachweis positiver Versorgungseffekt scheitern oder eine wirtschaftliche Vermarktung kritisch sehen, ziehen sich aus dem DiGA-Verzeichnis zurück. Insgesamt gab es 16 Streichungen in 5 Jahren!
- Zur Einschätzung des Nutzens einer DiGA sollen neben der Evidenz aus Zulassungsstudien zukünftig nach dauerhafter Listung einer DiGA auch Versorgungsdaten einbezogen werden. Ab 2026 müssen Hersteller Daten zur Nutzung und zum Nutzen ihrer Anwendungen im Versorgungskontext an das BfArM melden. Diese anwendungsbegleitende Erfolgsmessung (AbEM) soll dem Qualitätswettbewerb zwischen DiGAs dienen einer fairen Preisfindung (8).
- Sowohl Ärzte als auch Patienten bewerten DiGAs positiv, die DiGA-Nutzung variiert individuell sehr deutlich lt. Ergebnissen des Innovationsfonds Projekt ImplementDiGA (9).
DiGA Wissen - weiter ausbaufähig
- Die Bekanntheit des Therapieprinzips DiGA und das Wissen über DiGA bei Ärzten und bei den Nutzern zeigt noch große Lücken (10).
DiGA Markt - Noch immer eine Nische (11)
- Es gibt eine starke Konzentration der Verordnungen auf wenige Apps: 5 Apps machen mehr als die Hälfte aller Verordnungen, während 2/3 der DiGAs nur 2 Prozent der Gesamtverordnungen erreichen.
- Verordnungsbreite vs. Verordnungstiefe: rund 22.000 Ärzte haben bereits eine DiGA verordnet (12 Prozent)
- DiGA-Verordnungen pro Therapeut: Im Durchschnitt 3; bei Allgemeinmedizinern 1,9, bei Orthopäden 7
- Jeder 7. Patient bekommt eine DiGA-Folgeverordnung.
- DiGA-Verordnungen in 2024: 400.000 lt. Zentralinstitut (ZI) für die Kassenärztliche Verordnung vs. 700 Mio. Arzneimittelverordnungen (12).
DiGA - eine intensive Lernerfahrung für alle
Die Diskussion um hohe Preise und schwache Nutzennachweise halten weiter an, die Rufe der Krankenkassen nach Kurskorrekturen am DiGA-Fast Track werden lauter (13), während Hersteller auf wachsende Belastungen hinweisen (14), z. B. durch die hohen Anforderungen an Datensicherheit (BSI-TR-03161 Zertifikat, seit 2025) und die Verpflichtung zu einer anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung für dauerhaft gelistete DiGAs ab 2026 (8).
Wenn Kosten für die Entwicklung, den Nutzennachweis und die Datensicherheit von DiGAs steigen, und der DiGA-Markt ein eher schwieriger Nischenmarkt bleibt, hat das Folgen für die Investitionsbereitschaft in neue DiGAs. Jedenfalls zeigt das Wachstum des DiGA-Angebots nach der dynamischen Entwicklung der ersten Jahre eine deutliche Verlangsamung (7).
DiGA-Therapie - braucht es eine DiGA-Nurse?
Im Gegensatz zu Arzneimitteln werden digitale Therapien noch immer auf einem rosa Papierrezept verordnet. Der Patient löst es nicht in der Apotheke ein, sondern schickt es per Post zur Krankenkasse, um dann von der Krankenkasse - wieder per Post - einen Freischalt-Code zu erhalten. Kein Wunder, wenn viele Patienten das Rezept gar nicht erst einlösen oder aber den Freischalt-Code nicht nutzen. Zu kompliziert! "Aus meiner Sicht, steht und fällt die DiGA-Nutzung mit der Begleitung Patienten durch die Praxen," ist Dr. med. Elif Duygu Cindik-Herbrüggen, Psychotherapeutin und ärztliche Leiterin am Neuro-Psychiatrischen Zentrum Riem überzeugt. "Von unseren depressiven Patienten können wir doch nicht ernsthaft erwarten, dass sie aus eigener Kraft den Freischalt-Code aktivieren, selbst anfangen mit den Therapiemodulen und dann auch dranbleiben. Deshalb haben wir bei uns eine DiGA-Nurse. Sie kümmert sich, fragt nach, ob das Rezept eingelöst wurde, ob es Schwierigkeiten gibt, ob die Module verstanden werden. Sonst wird das leider nichts mit der digitalen Therapie," so die Erfahrung von Elif Cindik-Herbrüggen.
"Ich halte den blended-care Ansatz für den richtigen DiGA-Weg," betont Elif Cindik-Herbrüggen.
"Gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen haben Angst, dass der Therapeut sie loswerden will, wenn er etwas "Digitales" verordnet! Damit dieser Eindruck nicht entsteht, ermuntern wir die Patienten, ihre DiGA-Listen mitzubringen, und schauen uns an, was sie mit der DiGA bearbeitet haben. Viele zeitintensive Erklärungen in der Psychoedukation fallen damit weg. Das entlastet uns und stärkt darüber hinaus auch die Beziehung zu unseren Patienten. DiGAs nehmen uns, entgegen der anfänglichen Ressentiments vieler Kolleginnen, nichts weg," ist die Psychotherapeutin überzeugt. Sie wirkt aktuell in einem innovativen, hybriden Versorgungskonzept für Menschen mit psychotherapeutischem Hilfebedarf mit, das den blended-care Ansatz auch wissenschaftlich untersucht (16).
DiGAs - Bausteine datengenerierender Gesundheitsversorgung
Daniel Schilling, Vorstand der IKK Südwest und Mitglied im Aufsichtsrat der BITMARCK, einem Digitalisierungspartner vieler gesetzlicher Krankenversicherungen, ist sehr offen für innovative Systeme, die das Zielbild einer outcome-basierten Vergütung unterstützen. Um Qualität sichtbar zu machen und Versorgungsqualität bezahlen zu können, braucht es den ganzheitlichen Blick auf Versorgungssysteme und -prozesse. Dank Telematikinfrastruktur, elektronischer Patientenakte und digitaler Gesundheitsanwendungen, sowie der FHIR-Schnittstellen zwischen den verschiedenen Systemen lassen sich standardisierte, strukturierte Gesundheitsdaten in der Breite immer besser erfassen, austauschen, verarbeiten und auswerten. Deshalb ist er überzeugt:
"Mit strukturierten Versorgungsdaten bekommen wir deutlich mehr Klarheit, sehen nicht mehr nur Einzelanalysen, sondern das große Bild der gesamten Versorgungslandschaft," so die Perspektive des Vorstands der IKKSüdwest.
Versichertenbefragung zu DiGA zeigt gemischtes Bild
Zum 5. Jahrestag hat Daniel Schilling bei den Versicherten seiner Krankenkasse eine Umfrage gestartet zu DiGAs. "Wir haben alle Versicherten angeschrieben, die von uns einen DiGA-Freischaltcode erhalten haben. 20 Prozent der Angeschriebenen haben sich an der Befragung beteiligt, eine erfreulich hohe Responserate! In unserer vorläufigen Datenauswertung zeigen sich zwei Gruppen: Die eine ist sehr begeistert von der digitalen Unterstützung, die Nutzer bleiben über die gesamte, empfohlene Nutzungsdauer dran und sind aktiv. 80 Prozent geben an, die DiGA wöchentlich zu nutzen. Die andere Gruppe scheint sich nicht mehr an die Nutzung einer DiGA zu erinnern, sie haben den Code vermutlich nie freigeschalten oder die Nutzung sehr frühzeitig abgebrochen,“ fasst Daniel Schilling die wesentlichen Erkenntnisse zusammen.
„Was auch auffällt, ist die Häufung von Verordnungen einer bestimmten DiGA. Die Abnehm-App Oviva hat bei uns mit Abstand die meisten Freischalt-Codes, der Hersteller scheint in der Vermarktung anders vorzugehen, als andere," vermutet Daniel Schilling.
Tatsächlich unterstützt Oviva Patienten bei der Beschaffung des DiGA-Freischalt-Codes. Der Hersteller holt bei gesicherter Diagnose und nach Zustimmung der Patienten die Verordnung im Auftrag des Patienten direkt beim behandelnden Arzt ein. Gegen diese Praxis hat die Wettbewerbszentrale geklagt (17), Oviva hat Berufung eingelegt
Patienten wünschen mehr Begleitung
Auf die Fragen nach Optimierung äußern viele Versicherte in der IKKSüdwest-Umfrage den Wunsch nach mehr Begleitung. Sie wollen einen Ansprechpartner für Fragen. Die Anwendungen sollen einfach zu nutzen sein. Sie bedauern, dass die eigenen Daten weg seien, wenn man die Nutzung der DiGA beendet. "Ohne diese Daten sei es dann schwer, den Arzt zu überzeugen, eine DiGA-Folgeverordnung auszustellen," zitiert Daniel Schilling aus der aktuellen Umfrage.
"Wir müssen verstehen, wie es zu solchen Unterschieden bei den DiGA-Anwendern kommt," betont David Prinz. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Digital Health am Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden und arbeitet mit in der Konsortialführung des Innovationsfonds-Projektes ImplementDiGA (18). "Multimethodisch und multiperspektivisch wollen wir in diesem Projekt unter Einbeziehung aller Stakeholder belastbare Erkenntnisse zu Akzeptanz, Nutzung und Verordnung von DiGA gewinnen und aus den Ergebnissen Empfehlungen für die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung mit DiGA ableiten," erklärt er die Zielsetzung. "Ganz grundsätzlich sehen wir Nutzer, die auch alleine gut zurechtkommen mit ihrer DiGA, die gut informiert sind. Es gibt aber eben auch andere, die sich Begleitung wünschen und Begleitung brauchen. Das hängt zum einen mit der Art der Nutzung zusammen. Es ist ein Unterschied, ob man eine DiGA zur Überbrückung nutzt, bis man z. B. einen Therapieplatz beim ambulanten Leistungserbringer findet, oder ob man als Patient schon auf eine sehr lange Krankheitshistorie zurückblickt und die DiGA zusätzlich zu anderen Therapiemaßnahmen nutzt, um Belastungen durch Tinnitus besser zu bewältigen. Diese zielgruppenspezifischen Unterschiede müssen wir besser verstehen,“ fordert der Versorgungsforscher.
"Die Ergebnisse aus dem ImplementDiGA-Projekt zeigen, dass DiGA keine Wundermittel sind, sondern sinnvolle, nebenwirkungsarme Therapieformen, die, wie andere Therapien auch, nicht unbegleitet genutzt werden sollten," erklärt David Prinz.
Und natürlich komme es immer auch auf den Patienten selbst an, seine aktive Rolle sei auch in der DiGA-Nutzung zentral. Daneben brauche es aber auch den mündigen, aufgeklärten Leistungserbringer. "Das DiGA-Thema ist für sehr viele ambulante Leistungserbringer immer noch Neuland. Sie müssen sich das erarbeiten und werden damit ziemlich alleine gelassen," so David Prinz.
Auf die DiGA-Anamnese kommt es an
"Wir sehen, dass es auf eine sorgfältige DiGA-Anamnese ankommt, die die Eigenschaften der DiGA, die Charakteristika der Nutzer, deren individuellen Unterstützungsbedarf sowie die Spezifika der Indikation berücksichtigt. Hier haben ambulante Leistungserbringer bisher keinerlei Unterstützung.
Es fehlen Handreichungen, damit das Matching zwischen DiGA und dem "richtigen" Patienten gut gelingen kann," stellt David Prinz fest.
"Auch medizinische Leitlinien können hier zukünftig besser unterstützen, wenn sie den Stellenwert von DiGAs im Rahmen der Therapieempfehlungen einordnen und DiGA im Leitlinienwissen verankern, im Moment dringt das Wissen zur Evidenz aus klinischen Zulassungsstudien noch wenig durch," ergänzt der Experte.
Eine weitere Erkenntnis aus dem Projekt: Ambulante Leistungserbringer wollen besser einbezogen sein und wünschen sich mehr Einblicke in die DiGA-Nutzung ihrer Patienten: Wie gut kommt der Patient zu recht, was verändert sich aus der Sicht der Nutzer durch die DiGA-Nutzung? "Und natürlich wünschen sie sich auch eine Vergütung für die Leistungen, wenn sie ihre Patienten über die Chancen und Risiken einer DiGA-Nutzung aufklären," erklärt David Prinz.
Es gibt bereits für einige DiGAs Abrechnungsziffern für die Datenauswertung und Besprechung in der Verlaufskontrolle (19).
"Wir müssen DiGAs mit anderen Therapien zusammendenken," ist Dr. med. Christoph Twesten überzeugt.
Der ehemalige CTO des Startups Perfood (20) engagiert sich im Vorstand des Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung und ist dort als Experten für Datensicherheit und Datenschutz aktiv und in dieser Funktion auch Mitglied im Advisory Board der gematik. "Ich war schon für das Fach Informatik eingeschrieben, als ich mich dann doch für das Medizinstudium entschieden habe," erklärt Dr. Twesten sein hohes Interesse an technischen Lösungen für eine bessere Gesundheitsversorgung. "Mit einem großartigen Team habe ich vor etwa zehn Jahren begonnen, eine App zu entwickeln, die auf einem Ernährungsansatz basiert und einen Verhaltensansatz nutzt, um damit ein reales Versorgungsproblem zu lösen: Wie gelingt es Menschen mit Diabetes, ihren Blutzuckerspiegel zu stabilisieren durch Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten? Weil uns auch App-Nutzer mit Migräne über deutliche Symptomverbesserungen berichtet haben, haben wir gleich zwei Anwendungen mit diesem Ansatz entwickelt – die SinCephala Migräneprophylaxe (21) und die glucura Diabetestherapie (22), für beide haben wir die DiGA-Listung erreicht. Beide werten die Sensordaten aus der Blutzuckermessung KI-gestützt aus.
Nach der Streichung von SincCephalea durch das BfArm, gegen die wir erfolgreich geklagt haben, ist Perfood leider in die Insolvenz gerutscht. Ein Kernteam vermarktet die DiGAs weiter. Ich selbst bin ausgestiegen und biete jetzt meine Expertise als Consultant an, helfe jungen Startups, den DiGA-Weg zu gehen oder alternative Marktzugänge zu nutzen. Ich unterstütze Unternehmen auch beim Erwerb des BSI Zertifikats," erklärt Twesten sein neues Tätigkeitsfeld.
DiGAs - weiter große Informationsdefizite
Aus Sicht von Christoph Twesten herrscht nach wie vor ein großes Informationsdefizit, DiGAs seien bei Therapierenden und bei Patienten noch nicht ausreichend bekannt. Ein Patenrezept, wie sich das ändern lässt, hat er nicht: "Wir versuchen mit Verordnern ins Gespräch zu kommen, bieten CME-Fortbildungen und viel Aufklärung über Printmaterialien. Wir sind bei Messen und Kongressen dabei, sprechen über die therapeutischen Möglichkeiten von DiGAs im allgemeinen und über den indikationsspezifischen Stellwert unserer DiGAs," erklärt er.
Immer wieder diskutieren Hersteller, ob man DiGA wie ein Arzneimittel vermarkten sollte. "Die Bewerbung von DiGAs über einen Ärzte-Außendienst, sehe ich herausfordernd: Ärzte sind es gewohnt, über neue Arzneimittel informiert zu werden, kurz und knapp, Fragen zu stellen, Informationen zu erhalten. Die "Arzneimittel-Schublade" ist gelernt. Für DiGA haben Ärzte aber noch keine Schublade. Da muss man erstmal mit dem Prinzip DiGA anfangen und Vorbehalte ausräumen, bevor man zu den Besonderheiten der eigenen DiGA kommt und auf die Studienlage eingehen kann. Das kosten viel Zeit und Geld," erklärt Twesten die Herausforderungen im Vertrieb. Dass Vertriebsmodelle in Kooperation mit Pharmaaußendiensten strategisch sinnvoll und auch wirtschaftlich erfolgreich sein können, zeigen die Vermarktungswege von Kalmeda oder Deprexis.
Zum Informationsdefizit bei Patienten ergänzt Daniel Schilling:
"Auch wir als Krankenkassen haben keine Patenrezepte, wie wir unsere Versicherten besser über digitale Möglichkeiten des Selbstmanagement informieren und sie in ihrer digitalen Gesundheitskompetenz stärken können," erklärt Daniel Schilling
In Zukunft könnten neue gesetzliche Regelungen (SGB V § 25b) in diesem Punkt weiterhelfen. Sie erlauben Krankenkassen, Versorgungsdaten ihrer Versicherten auszuwerten, um zu erkennen, welche Versicherten Unterstützung brauchen. Diese könnten dann direkt angesprochen werden, auch auf digitale Hilfen zur Stärkung des Selbstmanagements, die bei der Krankheitsbewältigung unterstützen.
Digital besser versorgt: Ja, bitte!
Alle vier Experten sehen für DiGAs eine optimistische Zukunft, sie werden sich in der Versorgung in den kommenden fünf Jahren weiter etablieren, weil man sie braucht.
Gerade bei Schmerz und Depression sei es wichtig, früh mit der Therapie zu starten. Und bis zum Start dieser Therapien bei einem Facharzt können DiGAs eine hochrelevante Option sein. "Ich empfehle ärztlichen Lotsen, Probezugänge der DiGA-Hersteller zu nutzen, und sich mit den Möglichkeiten vertraut zu machen. Dann lassen sich z. B. auch Ängste ausräumen, dass man als Verordner schuldig werden könnte, wenn ein Patient z. B. suizidal wird," erklärt Elif Duygu Cindik-Herbrüggen.
"Wenn wir offen an diese neue Therapieform herangehen, werden wir DiGAs zunehmend auch als Option für ältere Patienten nutzen für eine bessere Psychoedukation und Kommunikation, auch weil sie häufig in verschiedenen Sprachen verfügbar sind," erklärt die Psychotherapeutin.
"Natürlich müssen wir auch über Vergütung sprechen. Wenn ich 30 Minuten Zeit investiere, um Menschen aufzuklären und mitzunehmen, muss das auch bezahlt werden" ergänzt die Psychothreapeutin.
Dass die Ansprache auf digitale Anwendungen gut funktionieren kann, zeigt Daniel Schilling am Beispiel des Screenings auf Herzrhythmusstörungen der IKKSüdwest auf: "Wir bieten die App Preventicus im Rahmen von 140a Versorgungsmodellen an, laden unsere Versicherten aktiv ein, das Telemonitoring zu nutzen und die EKG-Berichte auszuwerten (23). Das ist niedrigschwellig, wird gut angenommen.
Ich bin zuversichtlich, dass DiGAs auch in Disease Management Programmen sowie in Remote-Monitoring-Programmen zur Chronikerversorgung an Bedeutung gewinnen werden, so der Vorstand der IKK Südwest.
"Auch DiGAs höherer Risikoklassen mit komplexeren Unterstützungsfunktionen verändern die Bandbreite der zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten," so die Einschätzung des Vorstandes der IKK Südwest.
Fazit: DiGAs sind gekommen, um zu bleiben
Der Boden, auf dem sich DiGAs als integrierte Bausteine einer zunehmend digital transformierten Gesundheitsversorgung etablieren können, ist gut bestellt dank Telematik-Infrastruktur, neuer Digitalgesetze und den erweiterten Möglichkeiten zum Datenaustausch und zur Datennutzung durch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz.
Was wünschen sich die Experten beim Healthcare Shapers LiveTalk für eine gelingende DiGA-Weiterentwicklung in den kommenden 5 Jahren:
- Noch mehr Unterstützung durch digitale Therapien im Praxisalltag, z. B. durch den Ausbau der Mehrsprachigkeit digitaler Angebote, und eine Vergütung von DiGA-Leistungen für Therapeuten.
- Einen einfachen Verordnungsprozess, d. h. DiGAs sollen auch per eRezept verordnet werden können.
- Die Entwicklung von Versorgungspfaden, damit DiGAs zu integrierten Bausteinen im Versorgungskontext werden und dort in der Breite wirken können.
- Den Ausbau der Vorreiterrolle von Deutschland in Sachen DiGA durch einen klaren Fokus auf Qualitätstransparenz. Sie leuchtet die Faktoren aus, die den Therapieerfolg einer DiGA ausmachen und die Unterschiede zwischen den DiGAs erklären und unterstützt Verordner und Patienten dabei, sich im wachsenden Markt der Digitalen Versorgungslösungen zu orientieren?
Danke für die spannende Diskussion an die Experten Dr. med. Elif Duygu Cindik-Herbrüggen, Daniel Schilling, David Prinz und Dr. med. Christoph Twesten. Danke an Günther Illert und Dr. Ursula Kramer für die Moderation des Healthcare Shapers LiveTalks: DiGA - wo stehen wir in 5 Jahren? am 7.10.2025.
Quellen
- HCS Live Talk – DiGA – wo stehen wir in 5 Jahren? https://www.linkedin.com/events/7373728687965364224/
- Dr. med. Elif Duygu Cindik-Herbrüggen https://www.linkedin.com/in/dr-med-elif-duygu-cindik-herbr%C3%BCggen-76657165/
- Daniel Schilling https://www.linkedin.com/in/daniel-schilling-a7ab4785/
- David Prinz https://www.linkedin.com/in/david-prinz-75b4b8267/
- Dr. med. Christoph Twesten https://www.linkedin.com/in/dr-med-christoph-twesten-09b4b6153/
- Sippli et al. Healthcare effects and evidence robustness of reimbursable digital health applications in Germany: a systematic review. npj Digit. Med. 8, 495 (2025). https://doi.org/10.1038/s41746-025-01879-6
- DiGA-Verzeichnis, Stand Oktober 2025 https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis
- Anwendungsbegleitende Erfolgsmessung dauerhaft gelisteter DiGAs. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/D/2._DiGAV_AendV_RefE.pdf
- vdek-Zukunftsforum „5 Jahre DiGA - ein Impuls für die digitale Versorgung?" https://www.youtube.com/watch?v=0c21SpJkDFw
- Wissen über DiGA bei Verordnern und bei Versicherten. GGW 2025 · Winkler, Fürstenau: DiGA: Status, Akteure und Zukunft der digitalen Versorgung · Jg. 25, Heft 1, 7–15 https://www.wido.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Publikationen_Produkte/GGW/2025/wido_ggw0125_winkler_fuerstenau.pdf
- TK DiGA Report II https://www.tk.de/resource/blob/2170850/e7eaa59ecbc0488b415409d5d3a354cf/tk-diga-report-2-2024-data.pdf
- Operation DiGA. Experteninterview Dr. Lars Knoll, Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung. Apotheken Umschau 15. August 2025.
- Viel Geld für wenig Evidenz? TK-Chef erneuert Kritik an Apps auf Rezept https://www.aerztezeitung.de/Politik/Viel-Geld-fuer-wenig-Evidenz-TK-Chef-erneuert-Kritik-an-Apps-auf-Rezept-460339.html
- Stellungnahme Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung zum Bericht des GKV-Spitzenverbandes (DiGA-Bericht), Berichtszeitraum 01.09.2020 bis 31.12.2024.
- Deprexis. https://de.deprexis.com/fachkreise/
- Veovita. Hilfe bei Depression, Angst, Burnout. Hybrides Versorgungsangebot. https://www.dak.de/dak/leistungen/psychotherapie/hilfe-und-behandlung-bei-depression_9828
- Landgericht stoppt DiGa-Marketing. Gericht bremst die Firma Oviva aus https://gutepillen-schlechtepillen.de/landgericht-stoppt-diga-marketing/?cn-reloaded=1
- ImplementDiGA. https://implementdiga.de/das-projekt/
- Abrechenbare EBM Positionen. DiGA https://www.iww.de/aaa/kassenabrechnung/ebm-2025-digitalisierung-diga-verordnungen-update-im-mai-2025-f167042
- Perfood GmbH. https://www.linkedin.com/company/perfood-gmbh/about/
- sinCephalea – Migräneprophylaxe. DiGA, vorläufig aufgenommen https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/01775
- glucura Diabetestherapie - DiGA, vorläufig aufgenommen. https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/02090
- Preventicus – Screening auf Herzrhythmussstörungen. https://www.finger-zeigen.de/zugangscode/