
Das merkt man, wenn man keinen hat. Auf Unternehmen übertragen, heißt das, die Führungskraft wird ständig von ihren Mitarbeitern um Rat gefragt, ist in nahezu alle Entscheidungen eingebunden, immer verfügbar, ständig gestresst, arbeitet viel im Tagesgeschäft und übersieht dabei strategische Chancen und Risiken, die durch Veränderungen oder aufkommende Krisen entstehen.
Solche Situationen haben häufig grundlegende Ursachen:
• Führungskräfte werden hauptsächlich aufgrund ihrer Fachkompetenz rekrutiert
• Management und Führung werden verwechselt
• Echte Führung fehlt
Das Open System Model (OSM) und die Rolle der Führung
In einem offenen System, in dem die Funktion Führung ausgefüllt wird, ist das anders. Dort gibt es eine klare Mission, Visionskraft, Zugehörigkeit, Ordnung und Entwicklung - für alle erkennbar - von allen gelebt.
Nach diesem Konzept unterliegen alle Systeme allgemeinen Naturgesetzen und Systemprinzipien, ähnlich dem menschlichen Körper: Dort dienen Organe dem Wohl des gesamten Organismus, indem sie wichtige Funktionen erfüllen. Das Zusammenspiel läuft geordnet und nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten ab.
In künstlichen Systemen, wie einem Unternehmen, ist das vergleichbar. Ein Unternehmen rechtfertigt seine Existenz durch die Erfüllung eines Bedarfs im übergeordneten System, z. B. der Gesellschaft. Die Abteilungen des Unternehmens wiederum erfüllen spezifische Bedarfe des Gesamtunternehmens und tragen so zur Erfüllung der Mission bei.
Systeme existieren niemals isoliert, sie stehen in ständiger Wechselwirkung miteinander. Systemverletzungen, also Verstöße gegen die Systemprinzipien, haben weitreichende Folgen und treten als "schmerzende" Symptome zu Tage, z. B. in Form von schwierigen Mitarbeitern oder Konflikten in Unternehmen.
Wiederkehrende Konflikte, hohe Fluktuation, unzufriedene Mitarbeiter oder dysfunktionale Prozesse - lediglich Symptome, die Ursachen liegen tiefer!
Die Ursachen liegen auf einer tieferen Ebene. Für die Führungsrolle ergeben sich daher klare Implikationen:
- Funktionsklarheit: Die Führungskraft ist dafür verantwortlich, dass alle Funktionen im System klar definiert und notwendig sind, dass es zwischen den Funktionen eindeutige funktionale Netzwerke gibt und dass die Funktionen mit den richtigen Personen besetzt werden.
- Führung als Funktion und abgrenzend zu Management: Jedes System benötigt unterschiedliche Funktionen, die dem Wohl des Systems dienen und einen Bedarf decken. Führung ist eine sehr wichtige Funktion in jedem System. Im systemischen Sinn wirkt Führung auf das System, während Management im System agiert. Führung entwickelt Innovation und Vision und blickt in die Zukunft. Management reflektiert die Vergangenheit, lernt daraus und optimiert Ressourcen. Beide Aspekte sind notwendig und wichtig.
- Förderung der Mitarbeiter: Eine wichtige Aufgabe der systemischen Führungskraft ist es, die Entwicklung der Mitarbeiter zu fördern, sodass sie selbstverantwortlich und selbstständig ihre Aufgaben wahrnehmen können. Führungskräfte, die über ihre Fachkompetenz rekrutiert wurden, tendieren dazu, Aufgaben selbst zu übernehmen und weiterhin als Fachleute zu agieren. Dies blockiert die Entwicklung der Mitarbeiter und führt dazu, dass die Führungskraft letztlich alle Aufgaben übernehmen muss, da es niemanden gibt, an den sie delegieren kann.
- Zugehörigkeit: Die Führungskraft muss dafür sorgen, dass niemand im System ohne Anbindung ist, dass die jeweilige Funktion vom Mitarbeiter eingenommen und ausgeübt werden kann und dadurch echte Zugehörigkeit zum System entsteht.
- Systemoffenheit: Eine zentrale Aufgabe der Führungskraft ist es, den Bedarf des übergeordneten Systems im Blick zu behalten und das eigene System danach auszurichten. Diese Offenheit stellt sicher, dass das System und die daran angebundenen Menschen Sinn und Zweck erleben. Dies wird besonders in Bezug auf die Generation Z immer wichtiger. Nicht Geld oder Boni stiften langfristig Sinn, sondern die Erfüllung eines echten Bedarfs.
Echte Kapitäne halten Kurs - auch bei stürmischer See
Die Auswahl einer Führungskraft sollte nicht über Fachkompetenz, sondern über Führungskompetenz erfolgen. Es braucht zudem das Bewusstsein, dass Führungskompetenz nicht dasselbe ist wie Kompetenz im Management. Echte Führung ist eine schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, die viele Talente erfordert.
Wird in einem System die Funktion Führung ausgefüllt, gibt es einen Kapitän, dem es gelingt, nicht nur in ruhigen Gewässern den Kurs zu halten, sondern auch bei stürmischer See die Orientierung nicht zu verlieren, mit Demut vor der herausfordernden Funktion der Führung.
"Wenn Ihnen in Unternehmen wiederkehrende Konflikte, hohe Fluktuation, unzufriedene Mitarbeiter oder dysfunktionale Prozesse begegnen, lohnt es sich, das Problem bei der Wurzel anzupacken, statt Symptome zu bekämpfen," rät Mark Melmer, Autor dieses Beitrags und Partner im Netzwerk der Healthcare Shapers, der Ihnen gerne dabei hilft.
Weiterführende Literatur:
Kambiz Poostchi: Open System Model: Der Sinn für das Ganze (2. Auflage 2023, OSYS Publishing); Spuren der Zukunft: Vom Systemdenken zur Teampraxis (2. Auflage 2024, OSYS Publishing)
Foto von Dmitrii Eliuseev auf Unsplash
Autoren des Beitrags
Mark Melmer
Mark Melmer is an Interim Manager and Consultant, focusing on the field of orphan drugs in Austria. He is driven by results and fun at work: When it comes to management duties, he wants to complete tasks, so that you can mark them as done. When it comes to people, he wants to support them in making an impact and having fun.